Servus,
Ich habe nicht versucht hier jemandem die Freude am Hobby auszureden, oder die Lebenseinstellung zu hinterfragen. Es geht auch nicht darum irgendjemanden zu überzeugen. Es geht auch nicht darum, dass ich die Vorzüge einer Druckkontrolle nicht glauben will, oder nicht wahrnehmen kann. Ich will einfach verstehen wie das funktioniert.
Und in einem Fachforum sollte man doch auf sachliche Fragen auch sachliche Antworten bekommen.
Ich verstehe z.B. nicht, warum die Vorzüge einerseits nur bei sehr hochlegierten Stählen bemerkbar sind, anderseits Wastl meint, dass man damit auch die Standzeit seines gehassten Shirogami erhöhen kann. Nur ist das für ihn uninteressant, da er dann trotzdem täglich nachschleifen müsste. Wastls 1.2562 ist auch nicht hochlegiert und profitiert enorm. Irgendwie müssen diese unterschiedlichen Erfahrungen ja zu Stande kommen.
Die Theorie perfekt glatten Schneide, die sich gleichmäßig langsam abnutzt finde ich auch einleuchtend, aber auch hier wieder: Warum nur bei hochlegierten Stählen?
okay, ich will es noch einmal im Detail versuchen. Ich gliedere das jetzt in drei Punkte:
Relation: Ich welcher Relation steht der Aufwand von Zeit und der Einsatz von Geld zum erwartbaren Ergebnis unter persönlicher Anwendung?
Wahrnehmung: Was ist gefühlte Wahrnehmung und in wie weit ist sie valide übertragbar?
Physikalische Tatsache unter dem Mikroskop: Was ist nachweisbar und lässt sich von allen Usern reproduzieren?
Beginnen wir mir den Tatsachen. Mit einem Schleifturm ( Drehpunkt/Achse und Winkelfehler verglichen mir anderen Systemen wurden hier schon mal ausführlich dargelegt und besprochen ) und eine fixierbaren Winkelverstellung nebst Druckentlastung übernimmt das System die Aufgabe der Winkelführung, die Stabilisierung der Klinge, die waagrechte Position und die Druckentlastung reduziert den Anpressdruck auf das Schleifmedium und somit den Anpressdruck an der Schneidfase/Schneidenspitze. Das ist soweit klar und nachweisbar. Was bedeutet das in Praxis, verglichen mit einem Schliff mit freier Hand, wo all die entlastenden Maßnahmen, die das System übernimmt, zusätzlich zum Bewegungsablauf des eigentlichen Schleifens vom Schleifer übernommen werden müssen. Nennen wir es ein Assistenzsystem das zum Einen entlasten soll und zum Anderen durch eine justierte Führung eine Winkelstabilität nahezu erzwingt.
Warum also ist Winkelstabilität so wichtig? Das hat verschiedene Gründe, die sich
Punkt A auf die Stabilität und Verschleißfestigkeit der Schneidfase durch Konstanz in Dicke und Breite/Höhe und Winkel der Facette manifestiert und
Punkt B in der absoluten Treffsicherheit der Schneidenspitze auch bei hoher Progression. Man erzeugt dadurch eine durchgeschliffene Facette, was zu einem ausreizen von maximal erreichbarer Schärfe führen kann, wenn das Schleifmedium fein genug ist und der Stahl es zulässt. Ferner bedeutet ein vollständiges, reproduzierbares treffen der Schneidfase/Schneidenspitze auch, das
alle tiefen Kratzer der vorhergehenden Steine, die in der Regel bis in die Schneidenspitze reichen, wenn durchgeschliffen wird, auch zuverlässig mit den nächstfeineren Steinen entfernt werden. Die Schneidfase/Schneidenspitze wird vollständig und ohne Fehlstellen "geschlossen" Das ist mit freier Hand geschliffen nicht möglich. Mikroskopbilder in 600facher Vergrößerung belegen das eindrucksvoll. Man findet hier genügend Bilder von mit und anderen, die sauber geschliffene und geschlossene Schneiden zeigen.
Was resultiert jetzt daraus? Eine vollständig geschlossene Schneidfase ( poliert ) und auch deren Spitze ( jetzt bitte nicht mit REM-Bildern kommen, ich weiß wie das unterm Elektronenrastermikroskop ausschaut ) ist resistenter gegen Beschädigungen. Fehlerquellen wie Riefen bis in die Schneidenspitze, inkonsistente Materialdicke an der Schneidenspitze durch partiell zu hohem Druck beim Schleifen bestimmter Stellen, z.B. den Kurvenradius, wo man die Klinge anheben muss um korrekt in den Radius zu gehen und man dazu neigt, genau dort den Druck auf die Schneide massiv zu erhöhen, wenn von Hand geschliffen wird, was zur Folge hat, dass an diese Strecke der Schneidfase/Schneidenspitze der Abtrag höher ist und durch den Druck tiefere Kratzer innerhalb der Fase/Fasenspitze entstehen. Genau dort, stumpft die Schneide im besten Fall zuerst ab, im schlechtesten Fall kollabiert sie an diesen Stellen durch plastische Verformung oder Ausbruch zuerst. Ein Schleifturm mit Druckkontrolle reduziert und minimiert solche Fehlstellen an einer Schneide, weil die Schneide schonender bearbeitet/präpariert werden kann und das führt in Summe ( Zusammenspiel aus Schleifmedium und dem Können des Mannes hinter dem Schleifturm ) zu eine verbesserten Schneidkantenstabilität, jetzt abgesehen von der geeigneten Stahlwahl und dem passenden Schneidenwinkel, und somit bleibt das Messer länger scharf, wenn alle Umstände die zu einem frühzeitigen Versagen führen, vermieden, bzw. entfernt werden. Mit freier Hand und ohne Druckkontrolle sind solche Ergebnisse unmöglich. Über die Sinnhaftigkeit von solcherart präparierten Schneiden kann man vorzüglich streiten, weil erst mit dem Zusammenspiel aus Anwendung und Nutzer eine solche Schneide ihre Leistung zeigen kann oder unter falschen Händen und ungeeigneten Bedingungen in sich zusammenfällt.
Damit kommen wir zur Wahrnehmung dieser Art präparierten Schneiden. Eine solche Schneide konstant abzustumpfen, also in Form einer Parabel, bedeutet keine Fehler in der Handhabung und keinen Missbrauch. Nehmen wir an wir haben einen hochlegierten Stahl, sehr verschleißfest und machen uns die Mühe, dieses Messer so perfekt es die Mittel zulassen zu schleifen/schärfen. Richtig angewendet, wir reden über ein Kochmesser, mit passendem Brett und richtiger Technik benutzt, wird die Leistungsfähigkeit, also das Potential der Legierung hochgradig ausgeschöpft, wenn alle Umstände optimiert wurden. Der Anwender nimmt eine deutliche Verbesserung der Standzeit war. Ein unbedarfter Anwender nimmt das selbe Messer und bemerkt nichts, weil er die Schneide nicht homogen abnutzt, sondern partiell und dabei noch Querbelastungen einfügt und verkanten und auf falschem Untergrund schneidet und vielleicht noch viel zu ungestüm mit dem Messer umgeht. Beide Anwender werden eine andere Antwort geben, wenn sie nach ihrer Wahrnehmung gefragt werden. Die hier diskutierten Ergebnisse sind solche, die unter optimalsten Bedingungen entstanden und ausgeführt wurden. Wir reden hier von einer Optimierung der Möglichkeiten, wenn alles Zusammenpasst. Das hat ja nichts mehr mit einem Kochmesser und kochen zu tun, sondern das ist Formel I mit allen Nebengeräuschen.
Daher kommen wir zur Relation. Wer Interesse an einem technisch sauberen Schliff hat, dessen Zielsetzung eine homogene Schneidfase ist, wer einen optisch sauberen Schliff ohne verkratzte Flanken möchte, wer seine Schneiden polieren möchte und gegen das Licht nur ein Facette sehen will und nicht viele, wer Spaß am Schärfen hat, wer mit Schärfe experimentieren will usw. der ist mit einem Systemschliff gut beraten. Je nach Zielsetzung kann man günstig einsteigen und teuer enden. Es ist ein Hobby, da spielt Geld und Ratio nicht immer die erste Geige.

Wer niedrig legierte Stähle verwendet, Shirogami, SC145, SC125, , oder recht moderat gehärtete, da passt die Relation zum Aufwand einfach nicht. Selbst wenn ein extrem aufbereitetes Messer aus Shirogami jetzt 10x länger scharf bleibt ist das immer noch deutlich unter anderen Stählen, die nur von Hand geschliffen wurden. Harte Japaner aus Shirogami, da reichen regelmäßig ein paar Züge auf einem feinen Stein und das ist wieder scharf, bei weicheren Stählen wird einmal ordentlich durchgeschliffenen und die Schneide geschlossen und wird dann mit einem Wetzstahl extrem lange küchentauglich bleiben und eine Klinge aus CPM REX 121 völlig ausgereizt von Dimm geschliffen wird unter seinen Händen und Bedingungen jahrelang küchentauglich scharf bleiben.
Die Relation muss geklärt werden, der Aufwand von Kosten und Zeit, der Ankauf von Messern aus hochlegierter Stählen, der Ankauf eines Systems und den passenden Steinen zu den Stählen, das Erwerben und aneignen der nötigen Fähigkeiten um das überhaupt so hinzubekommen, dann die Zeit in Schnitttechnik zu investieren, in ein Brett, das verstehen von Messerprofilen und den Zusammenhängen von Umgang und Zerstörung usw.
Das ist ein weites Feld, das es zu beackern gilt.
Letztendlich ist mein Resümee, das ich gelernt habe, was eine "Defektschicht" ist und das die weg muss. Das ich eine jede Schneide von jedem Messer das ich bekomme zumindest unter der Lupe anschaue, wie's um sie bestellt ist. Das ich in der Regel zwei, maximal aber drei Steine progressiv verwende. 1k/5k Basis, 8k Spaß. Ich legen Wert auf sauberes schleifen, keine Kornverschleppung, immer plane und abgerichtete Steine, angerieben und bereit. Ich erziele mit einem geführten System an Kochmesser ungleich bessere Ergebnisse als von Hand. Eine Druckkontrolle nutze ich weil sie verfügbar ist, meine Schneiden zu schonen ist mir wichtig, so wenig Abtrag wie möglich und nur soviel als nötig, damit mir die Schärfe wieder passt und Spaß macht. Ich schleife irgendwann alle meine Messer mal auf einen Schleifwinkel zwischen 18° und 20° weil die sowieso so dünn sind, das ein stumpfer Winkel nicht spürbar schlechter schneidet sondern nur ein Sicherheitsplus in der Stabilität bringt. Danach wird, sofern der Stahl auf einen feinen Wetzstahl reagiert, gewetzt. Eine vorher gut präparierte Schneide wird von einem Mikrofeinzug kaum "verletzt", hingegen eine nicht präparierte Bandschleiferschneide, die wird vom Wetzstahl zerlegt und aufgerissen. Das muss man alles wissen, bevor man pauschal einen Wetzstahl, oder ein System als schlecht oder unnötig bewertet.
Würde ich mir heute nochmal ein System kaufen? Ja, jedes dessen Ergebnis reproduzierbar ist, Druckkontrolle extra brauche ich nicht wirklich, meine Umstände der Benutzung machen das nicht nötig und Haarspaltereien und standzeitverlängernde Finessen, sind zwar nett, aber brauche ich auch nicht mehr. Eine technisch sauber geschliffene Fase macht dem jeweilgen Stahl alle Ehre, das reicht mir völlig.

Hingegen ein Messer ohne Schneidenkontrolle sofort aus der Schachtel benützen und dann staunen, warum der Superstahl so schnell stumpf ist und auch noch mit den falschen Schleifmedien bearbeiten und Behauptungen aufstellen, das der Stahl schlecht, das Messer schlecht usw.. ist auch der falsche Weg Eine fundierte Basis anlesen, aneignen, anlernen und Erfahrungen sammeln ist der beste Weg, mit Messern und allem Drumherum spaß zu haben.
Jeder nach seiner Fasson sage ich immer.
Gruß, güNef