Ich finde den Versuch und den Einsatz der Beteiligten weiterhin super.
Als Ergebnis der Testerei ist ja im Großen und Ganzen heraus gekommen, dass sich nur geringe (wenn überhaupt) Unterschiede zwischen KAS und SHM in der Praxis zeigen.
Was die Aufnahmen des Gefüges angeht, kann ich da keine eindeutigen Schlüsse ziehen. Man sieht Unterschiede, aber deren Beurteilung ist nicht einfach.
Ausgangspunkt ist, dass es sich um Material aus einer Charge handelt. Dies vor dem Hintergrund, dass die Primarkarbide (die großen, weißen Klunker) in Größe und Verteilung bei allen drei Proben identisch sind.
Es sind aber deutliche Unterschiede sichtbar - sowohl, was die Größe anbelangt, als auch das Auftreten einer Zeiligkeit (bei der zweiten SHM-Probe) bzw. einem primärkarbidfreien Streifen bei der ersten SHM-Probe.
Das kann eigentlich unmöglich durch die WB entstanden sein, oder?
Nach meinem Kenntnisstand werden die Primarkarbide (deshalb heißen sie ja so) beim Erstarren aus der Schmelze ausgeschieden und in die umgekehrte Richtung auch dann erst wieder in Richtung Schmelze gelöst - der Einfluss auf diese Karbide bei den gängigen Härtetemperaturen sollte nicht nennenswert gegeben sein.
Wenn also der Einfluss bei über 1000°C schon nicht gegeben ist und die Karbide nicht nennenswert in Lösung gebracht werden können, ist mir nicht klar, wie dann die unterschiedliche Verteilung und Große mit dem Anlassen zu tun haben soll.
Einzige Erklärung (wenn mein Kenntnisstand nicht lückenhaft und oder falsch ist): das Gefüge ist im Anlieferungszustand schon sehr unterschiedlich in Bezug auf die Primärkarbide, deren Größe/ Verteilung und auch Zeiligkeit.
Wenn dem so ist, muss man diesen Aspekt aus der Beurteilung von Unterschieden in der WB rausnehmen und sich auf das konzentrieren, was sonst noch sichtbar ist.
Da sehe ich zum einen beim KAS eine ungerichtete Ausprägung der Martensitplatten sowie hellere und dunklere Platten.
Und beim SHM klar sichtbar die feinen dunklen Ausscheidungen von Anlasskarbiden.
Das Gefüge der SHM-Proben hat eine wesentlich gleichmäßigere Graufärbung. Das sieht für mich homogener aus. Von der Zeiligkeit der Primarkarbide abgesehen, scheint es keine Ausrichtung zu haben.
Ich würde die Grundmatrix, wie schon gesagt, homogener (möglicherweise auch bzgl. Abbau von Restaustenit - denn darauf kann die unterschiedliche Grautönung beim KAS hindeuten) einstufen.
Und: ich würde diese WB bevorzugen.
Dieser an sich positive Effekt hat sich beim Testen aber nicht als praxisrelevant herausgestellt. Ich vermute, dass der Einfluss der Primarkarbide diesen Effekt überlagert hat und wesentlicher auf die Leistung Einfluss nimmt.
ich kann mir bei anderen Stählen/ Legierungen mit kleinerer Größe und homogenerer Verteilung der Primärkarbide gut vorstellen, dass sich das Anlassen im SHM durchaus merklich positiv bemerkbar macht - zumal die Restaustenitbeseitigung nahezu vollständig gelingen sollte.
Viele Grüße,
Torsten
Edit: die Primarkarbide lassen sich allenfalls thermomechanisch (Schmieden) 'zertrümmern' - was meines Wissens von der Genauigkeit der Prozessführung und dem Umformgrad nicht per Hand sondern nur mit industriellen Mitteln möglich ist.