Liebe Forumit_Innen und PA-Junkies,
hier nun mein Bericht zum Achtsamkeitsblindtest "Wer spürt das Sekundärhoch?".
Erstmal natürlich herzlichen Dank an die beiden Organisatoren und Masterminds hinter diesem PA und ganz besonders an Taperedtang, der die beiden Messer dafür entwarf und herstellte.
Meine beiden liebsten Tätigkeiten mit Messern - nach dem Schneiden - ließen sich bei dieser Aktion leider nicht umsetzen:
Auseinanderbauen (keine Schrauben zu finden) und
Batoning (mein Fäustel ist gerade auf Malle), aber man muß seine Ansprüche auch mal zurückschrauben können – das gilt vor allem für die Leser dieser Zeilen.
Immer noch eingeschüchtert durch R'n'R's epochalen Bericht, der kaum Luft zum Atmen lässt, habe ich mich also auf folgendes konzentriert:
- Geometrie-Check und Handling (zarte Bürohände)
- Föddili (ohne Mine)
- Schneidgut-Alternativen (Eukalyptus-frei)
- Beobachtungen (ohne Mikroskop) und Schärfen
Ziel war ja festzustellen, ob es einen erfassbaren Unterschied zwischen den beiden unterschiedlichen Wärmebehandlungen der Klingen gibt, deswegen auch die Beschränkung auf Schneid-relevante Themen.
Handling und Geometrie-Check
Erst die harten Fakten!
Gewicht, Größe etc. spar ich mir, da dies schon anderweitig dokumentiert wurde.
Hier meine Messungen "hinter der Wate" in mm, jeweils vor der Schleifkerbe, - ca. mittig - vorne an der Spitze
Palisander: 0,65 – 0,5 - 0,7
Die dünnste Stelle der Klinge liegt etwa 1/3 hinter der Spitze
Padouk: 0,6 – 0,5 – 0,7
Die dünnste Stelle der Klinge liegt ziemlich in der Mitte
Trotz der leichten Recurveform der Klingen (siehe Foto oben von R'n'R) liegt die 1-mm-Klingendicke-Linie 3,5 mm oberhalb der Schneide und verläuft recht gerade.
Chapeau für die Gleichmäßigkeit der Klingengeometrie!
Beim Handling fiel mir hauptsächlich das für mich sehr hohe Gewicht negativ auf – bei jedem In-die-Hand-Nehmen. Ein paar Bohrungen im Erl oder ein bisschen "tapern" (nomen est omen!) zur Gewichtsreduzierung wären mir, als bekennendem Leichtmesserträger, entgegengekommen.
Der abfallende Griff liegt gut in den Hand – für mich etwas zu füllig, vor allem im hinteren Bereich auf der Unterseite. Hotspots fand meine Hand keine - ein paar scharfe Ecken an den Backen, die aber beim Schneiden nicht stören.
Föddili
Ein sehr schönes Zwillingspärchen
Schneid-Erfahrungen
Was könnte man noch so schneiden (regional, saisonal), das die Klingen etwas herausfordert, vielleicht sogar Unterschiede ans Tageslicht fördert und das Sekundärziel erfüllt, keine Blutblasen, Sehnenscheidenentzündungen oder andere Verletzungen zu provozieren?
Ich entschied mich für folgende Testreihe mit steigendem Schwierigkeitsgrad:
Fleisch – Karton – Buchs - Gedöns
Das Design der beiden Kandidaten empfiehlt sie nicht wirklich für die Verwendung in der Küche, aber wir haben hier ja einen Test am Laufen, also dienen solche Erfahrungen auch der Abgrenzung.
Größtes Problem beim Zerteilen des
Fleisches war dann tatsächlich auch die Form der Klinge und da wir keine höheren Profibretter haben, um den Schneidprozess etwas zu optimieren, musste ich mitten im Test auf das kleine Cottage Craft Chef wechseln, um d'Cheffi nicht unnötig zu auszubremsen in der Küche, da ich in diesem Fall nur Zuarbeiter war.
Es hat schon einen Grund, warum Küchenmesser anders aussehen...
Nächstes Herausforderung:
Karton.
Hier konnten die Zwillinge endlich zeigen was in ihnen steckt. Kartons zerschneiden als Unterdisziplin des samstäglichen Männer-Dreikampfs (Rasenmähen – Recyclinghof – Getränkemarkt) spricht Frauen meiner Erfahrung nach nicht so ganz direkt an – aber wir können zeigen, was in uns bzw. unseren Hosentaschen steckt!
"
Zellulose statt Zombies" – muss reichen für den Hausmann.
Padou und Pali schlugen sich tapfer – man merkte ein leichtes Nachlassen der Schärfe im hinteren Bereich der Klinge, mit dem hauptsächlich gearbeitet wurde.
One level up:
Buchs - unser dichtestes, europäisches Gehölz, drei Jahres gelagert, aus dem Vorgebirge der Pyrenäen, angenehm im Griff und samtig im Abgang.
Bei dieser Challenge hab ich zwei Jungs von meiner Gang mit reingenommen: "
Toothpick" von Fred Perrin und "
Puukko" von Pasi Hurttila (beide so wunderbar leicht ... hach!).
Buchs schnitzen ist ein mühseliges Geschäft – nur Eukalyptus soll schlimmer sein und natürlich saarländische Lyoner.
Aber auch hier zeigten sich unsere beiden Hübschen durchaus fähig zu spänen – keiner hatte die Nase, bzw. Backe vorn, zumindest für mich nicht spürbar.
Der Zahnstocher war auch nicht schlecht, aber der beste Buchs-Bezwinger war dann doch Puukko – wie zu erwarten, bei dem Schliff.
Eine Überprüfung der Schneiden nach diesem heftigeren Einsatz ergab: stumpfer aber stabil. Der DST (Daumennagel-Schnell-Test) zeigt keine Ausbrüche oder ähnliches, Armhaare rasieren funktionierte leidlich nur noch im vorderen Bereich und beim Papierschnitt ging erst etwas ab Mitte der Klinge
Vor der letzten Prüfung nochmal kurz frisch machen: ein paar Züge mit dem Sinter, denn jetzt geht's in die letzte Kategorie "
Gedöns", sprich Stöckchen, Kork und Leder (macht mich bitte nicht verantwortlich für die ablaufenden Assoziationsketten in euren Köpfen!)
Nirgends kein Problem nicht, ebenso wenig Unterschiede im Schneidverhalten - aber es zeigt sich wieder, daß Lederbearbeitung den Schneidwerkzeugen ordentlich zusetzt.
Den letzten Test an Excaliburs Autoreifen, wie von Pebe empfohlen, konnte ich leider nicht durchführen, da sich P&P bereits auf dem Weg ins Saarland befinden, wenn der Express "Bergerac – Thiers – Berlin" hier durchrauscht – sorry, Pebe. 🤷♂️
Beobachtungen und Schärfen
Auf einer Unterlage schneiden ist mit dieser Klingenform und der mangelnden Fingerfreiheit nicht komfortabel und effizient - dafür gibt es andere Messer.
Ich konnte keinen Unterschied zwischen den Klingen in ihrem Schneidverhalten feststellen – sollte meine Frau doch Recht haben, und ich bin wirklich unsensibel?
Auch die von R'n'R anfänglich erfahrenen Ausbrüche traten bei mir nicht auf. Ich vermute, es liegt an der etwas gröberen Schneidengeometrie mit 40 ° Gesamtwinkel und an der von R'n'R abgearbeiteten und damit fehlenden "Defektschicht" – Danke!
Oder bin ich doch eine Memme und traue mich nicht die Messer richtig ranzunehmen, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, was für ein Aufwand in so solch einem Messer steckt. Um mich jetzt nicht in die FU-Ecke zu platzieren (Feiger User), schiebe ich es mal auf meinen Respekt vor dem Werkzeug, den mein Vater mir versucht hat beizubringen - so'n Messer ist schließlich auch nur ein Mensch ....
Beim finalen Schärfen galt es etwas zu tricksen – klar, dem Sinter ist der Recurve egal, aber ich finde, er läßt die Spitzen leiden. Unter Einbeziehung der Kanten der beiden Banksteine klappte es einigermaßen, auch ohne den Zauberstab.
Da es nur um das Auffrischen der von R'n'R exzellent vorbereiteten Schneiden ging, kam ich mit dem dargestellten Trio ganz gut zurecht, um die Messer für den nächsten Tester vorzubereiten.
Das rote Ding ist ein plattgefahrener Sinterrubin (so zumindest angepriesen und von der Feinheit her mit dem Siegerstab vergleichbar) für die erste Runde, der Feinschliff erfolgte auf einem Black Surgical Arkansas von RH Preyda und zum Schluss noch ein paar Mal über den Lederriemen – feddich (ich will nix hören,
@kanji , gelle!)
Wie geht's weiter?
Nach Rücksprache mit herbert machen sich die beiden nun auf den Weg ins Auen ... äh, Saarland, wo sie in kanjis Wäldern die wahren Herausforderungen des Waldläuferlebens kennenlernen werden.
Und beim großen Hobbit-Treffen Anfang August, aka MFODT, übernimmt Nick, als Vertreter der Nordhobbitse, den Schatz, äh, die Messer für die geplanten Gemetzel an Grützwurst und Heidschnucken ... (hm, es ist spät, ich sollte wohl aufhören).
Aber nicht ohne ein finales
Management Summary (steht halt jetzt leider am Ende des Posts, sorry, liebe Manager):
- kein Unterschied zwischen beiden Messern bzgl. der Schneideigenschaften von mir festzustellen
- die schön gemachten Zwillinge Padou & Pali haben die gestellten Aufgaben ohne Mucken und Macken gemeistert
- Sheepfoot-Klingen sind nicht mein Ding, da der Einsatzbereich recht eingeschränkt ist – ein bisschen Bauch muss sein!
- Ich will auch so'n Mikroskop-Teil
Bonne soirée
Virgil