Teil 2:
Als erwiesener Laie in Sachen Metallurgie, der zwar die Ausführungen und Expertisen zu dem Thema spannend findet, aber maximal ein Viertel davon auch versteht, habe ich mir den Luxus erlaubt, die Messer einfach zu benutzen, ohne mich tiefer in der Theorie mit der Materie der Wärmebehandlung zu beschäftigen.
Nachdem ich die Messer in meiner ersten Urlaubswoche für gewöhnliche Aufgaben wie Schneiden von Lebensmitteln, Stöckchen schnitzen u.ä. verwendet habe und dabei keinen spürbaren Unterscheid feststellen konnte, erinnerte ich mich an Herberts kluges Leitmotiv „divide et impera“ (teile und herrsche, endlich ergibt das große Latinum nach fast 30 Jahren mal Sinn) und entschied mich für einen laienhaften aber möglichst organisierten und „standardisierten“ Test:
Ich schärfte beide Klingen mittels Sharpmaker auf 20° pro Seite (dabei konnte ich keinen Unterschied feststellen) bis beide Klingen problemlos Armhaare rasierten und ruckelfrei Papier schnitten.
Dann wartete ich auf die Gelegenheit: An einem Donnerstagmittag regnete es schließlich, sodass Frau und Kinder die wohlverdiente Mittagspause innerhalb des Ferienhauses genossen und ich mich gut gerüstet auf die (teilweise) überdachte Terasse zurückziehen konnte. Von müde lächelnden Blicken der Familie begleitet begab ich mich mit den Messern, einem Schneidbrett und 10 Metern an 8mm starkem Juteseil ins Unwetter, um wenigstens im Ansatz meiner angedachten Rolle als „Messer- und anlassbezogener Stahltester“ nachkommen zu können.
Idee war nach einer jeweils identischen Abfolge von gerade geführten Schnitten über die möglichst gesamte Schneidenlänge zum einen festzustellen, ob und wie sich das Schneiden an sich unterschied sowie mittels Papierschnitt zu schauen, ob hier Unterschiede festzustellen wären.
Die beiden Messer wurden mit dem aufgelegten Daumen auf dem Klingenrücken je vollständig durch das doch sehr faserige und raue Juteseil geführt und nach identischer Anzahl von Schnitten in das Papier geschnitten. Das Ergebnis danach ausführlich und valide dokumentiert, hüstel...
Die Rasurschärfe hatten beide Messer ab 100 Schnitten eingebüßt, ins Papier schnitten beide problemlos und ruckelfrei. Nach diesen ersten 100 Schnitten in drei Etappen, die keinerlei Unterschiede ergaben, entschied ich mich die Etappen auf je 50 Schnitte auszuweiten.
Ab 200 Schnitten bemerkte ich ganz leichte Unterschiede. Das Padouk-Messer glitt gefühlt leicht weniger gut sowohl durch das Seil als auch das Papier.
Nach 300 Schnitten erfolgten zwei Erkenntnisse:
Den Urlaubern im Nachbarhaus fehlt anscheinend jedwedes Verständnis, warum man seinen Urlaub, mittlerweile umgeben von einem Haufen Juteseil-Abschnitten, im Regen mit mehreren Messern auf der Terrasse verbringt. Die Blicke ähnelten denen der Restfamilie, jedoch noch verstörter. Banausen.
Die zweite Erkenntnis war: Nicht die Klingen, aber der Tester lässt am stärksten nach, weswegen erstmal ein „Nachschärfen“ in Form einer kleinen Brotzeit anstand….
Ab 400 Schnitten ergab sich ein deutlich feststellbarer Unterschied zwischen den beiden Klingen. Palisander schnitt spürbar leichter durch das Seil und auch in das Papier, beim Padouk-Messer fiel es zunehmend schwerer, das Seil mit einem Zug sauber zu durchtrennen. Optisch und per Daumennageltest fielen keinerlei Ausbrüche o.ä. der Schneiden auf.
Ab 500 Schnitten hatten beide Klingen per Daumentest einen Schärfegrad erreicht, der für meinen persönlichen Geschmack den Zustand „muss geschärft werden“ entsprach, wobei die Schneide des Palisander-Messers gefühlt noch etwas mehr Biss hatte.
Die nächsten Schnitte mit Padouk erforderten deutlich mehr Kraft und es war auch nicht mehr möglich, das Seil mit einem Schnitt zu durchtrennen, weswegen ich bei 540 Schnitten aufhörte.
Palisander war im Vergleich zum Start des Tests auch deutlich abgestumpft, schnitt aber spürbar leichter durch das Seil und trennte insgesamt mehr Stücke ab als dass es das Seil nur einschnitt. Bei 550 Schnitten beendete ich auch den Test mit Palisander. Zudem hatte ich genug Füllstoff für was weiß ich was produziert.
Im Papier fühlte sich Padouk etwas ruckeliger an, beide Klingen schnitten aber noch recht sauber ein.
Nach Rücksprache mit Bukowski schärfte ich die Klingen nicht nochmal neu, sodass er hier mit der eigenen Methode frisch ans Werk gehen wird.
Resultat:
Ich habe einen Unterschied feststellen können und das Palisander-Messer als schnitthaltiger erlebt. Ob das auf unterschiedliche Wärmebehandlung zurückzuführen ist wage ich nicht einzuschätzen. Die Faktoren leichte Unterschiede in der Klingenstärke hinter der Wate, unterschiedliche Kraftausübung des Testers und vor allem die untrainierte Hand- und Unterarmmuskulatur desselben haben mit Sicherheit auch zu den Unterschieden beigetragen.
Für meine persönlichen Vorlieben dürften die Klingen noch deutlich dünner ausgeschliffen sein, bei der Klingengeometrie dürften um 0,3mm hinter der Wate für noch mehr Schneidfreude sorgen.
Ich bin jedenfalls gespannt auf die endgültigen Erkenntnisse und bedanke mich, dass ich die Gelegenheit hatte, als Amateur im Kreise der Experten eine Halbzeit mitzuspielen.
Vielen Dank insbesondere an Herbert und Matthias für die Idee, Organisation und Realisierung dieser beiden Klingen und der Testreihe, auch und vor allem weil sie die hohe Qualität dieses Forums nochmal bereichert.
Zum Abschluss das, was mir neben dem Test am meisten Freude gemacht hat:
Auf Wanderungen immer mal wieder stehen zu bleiben und ein paar Bilder dieser ausgesprochen fotogenen Messer zu knipsen (natürlich begleitet vom oben bereits erwähnten Augenrollen der mitwandernden Familie


).
Nick