2.3 Berechtigtes Interesse
Eine Ausnahme vom Verbot des Führens von Messern bzw. Messern und Waffen soll für nahezu alle
Verbotsordnungen bei Vorliegen eines berechtigten Interesses gelten, welches durch nicht abschließende
Regelbeispiele definiert wird und letztlich bei Messern immer dann vorliegen soll, wenn das Messer zu einem
anerkannten Zweck geführt wird.
Diese Regelungssystematik übernimmt letztlich die Struktur des § 42a. Diese Norm verbietet in Abs. 1 Nr. 3
das Führen von Einhandmessern und Messern mit einer feststehenden Klingenlänge von mehr als 12 cm.
Abs. 2 Nr. 3 lässt Ausnahmen zu, sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt. Nach Abs. 3 liegt ein berechtigtes
Interesse insbesondere vor, wenn das Führen der Messer im Zusammenhang mit der Berufsausübung erfolgt,
der Brauchtumspflege , dem Sport oder einem allgemein anerkannten Zweck dient.
Wesentlich war hierbei, dass das berechtigte Interesse, kraft Gesetz entsteht, wenn ein allgemein
anerkannter Zweck, etwa das Führen im Zusammenhang mit dem Brauchtum, gegeben ist. Eine
entsprechende behördliche Feststellung ist nicht erforderlich. Der Bürger muss „nur“ mit der Unsicherheit
leben, dass die Behörde ggf. sein Rechtsauffassung nicht teilt und ein Bußgeld verhängt. § 42a Abs. 1 Nr. 3
war 2008 ins WaffG aufgenommen worden, um gegen gewaltbereite Jugendliche vorgehen zu können, bei
denen das Einhandmesser an die Stelle der durch das WaffG 2002 verbotenen Messern getreten war. Die
Regelung hat sich insgesamt nicht bewährt. Sie wurde vielmehr zu einer Belastung für Bürgerinnen und
Bürger. Rechtsprechung und Literatur ist es bisher nicht gelungen, eine befriedigende Kasuistik zur Auslegung
der unbestimmten Rechtsbegriffe „berechtigtes Interesse“ und „allgemein anerkannter Zweck“ zu finden.
Von einzelnen Autoren wird deshalb vorgeschlagen, das „berechtige Interesse“ nach § 42a Abs. 1 Nr. 3
extensiv zu verstehen. Es soll immer dann gegeben sein, wenn der konkrete Zweck von der Rechtsordnung
gebilligt wird und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Messer zu Straftaten, Ordnungswidrigkeiten
oder zu sonstigen Störungen der öffentlichen Ordnung eingesetzt wird. Von dieser Ansatz her darf der Bürger
z. B. regelhaft ein im Geschäft erworbenes Gebrauchsmesser mit einer Klingenlänge von mehr als 12 cm in
einer Tasche auf dem Weg zu seiner Wohnung bei sich tragen (Gerlemann in Steindorf 11. Aufl., § 42a WaffG
Rn 12f. mit weiteren Nachweisen).
Die zu § 42a Abs. 3 aufgezeigten Probleme bestehen bei den Normen des vorgelegten Gesetzentwurfs, die
durchgehend auf das berechtigte Interesse abstellen, entsprechend. Ich gehe davon aus, dass auch in den
Fällen des § 42 Abs. 4a, Abs. 6 und 7 sowie § 42 b das berechtigte Interesse kraft Gesetz- bzw. kraft der
Regelung in der jeweils zu erlassenden Verordnung entsteht, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen
vorliegen. Die Probleme die mit dem „berechtigten Interesse“ und seiner Auslegung durch den „allgemein
anerkannten Zweck“ bestehen, werden auf Seite 36 in der Begründung zu § 42b auch offen thematisiert.
„Eine Ausnahme im Rahmen eines allgemeinen anerkannten Zwecks ist immer dann gegeben, wenn der
konkrete Zweck von der Rechtsordnung gebilligt ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das
Messer zweckentfremdet wird. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Messer kurzzeitig für das Schälen oder
Schneiden von mitgebrachten Speisen benutzt wird.“
Diese Verständnis trägt der Lebenswirklichkeit Rechnung führt aber dazu, dass jeder ein Messer auch im
öffentlichen Nahverkehr führen darf, solange er einen allgemein anerkannten Zweck glaubhaft mach, was
der Regelfall sein dürfte.
Es ist zu befürchten, dass - wie bei § 42a Abs. 1 Nr. 3 - auch bei § 42 Abs. 4a und 7 sowie § 42 b Regelungen,
die gegen eine kleine Gruppe von gewaltbereiten Personen gerichtet sind, letztlich zu einer Belastung für
rechtstreue Bürgerinnen und Bürger werden.