Da ich beruflich längere Zeit in Solingen tätig war und zumindest unregelmäßig mit der Schneidwarenbranche Kontakte hatte, hat mich der "Messervirus" bereits seit längerem erfasst.
Die unerwartet umfangreichen Sportmesser-Beiträge verfolge ich deshalb mit großem Interesse.
Unbestritten ist offenbar, dass das von "Pensionär" vorgestellte ungewöhnliche BONSA / BAUMWERK-Sportmesser entweder von Böntgen & Sabin BONSA
oder von H. Böker BAUMWERK
oder aber zumindesten mit Teilen dieser Firmen hergestellt worden sein dürfte.
Tatsache ist schließlich, dass beide Solinger Hersteller (und zusätzlich diverse andere) diese Sportmesser in fast ähnlicher (oder offenbar in identischer) Ausführung gefertigt und vertrieben haben.
Durch die historische Arbeitsteilung in der Solinger Schneidwarenindustrie hatten sich in Solingen viele Lieferanten etabliert, die ihre Kunden (konkurrierende Messerhersteller) mit identischen Produkten beliefert haben.
Dazu gehörte beispielsweise die erst vor kurzem aufgelöste Schmiede ("Taschenmesserschlägerei") Rudolf Broch, die sich auf Klingen für Taschenmesser spezialisiert hatte.
Aus Gesprächen mit dem verstorbenen Inhaber ist mir bekannt, dass mit denselben Gesenken identische Klingen an verschiedene Solinger Messerhersteller geliefert wurden, die diese Klingen dann mit ihrer eigen Marke oder auch Kundenmarken versehen haben. Neben Messerklingen wurden von der Firma Broch auch andere Werkzeugteile für Taschenmesser wir z.B. Kapselheber, Pfrieme, Federmesserklingen, Dosenöffner geschmiedet. Insofern sind identische Klingen und Werkzeuge bei im Wettbewerb stehenden Messerhersteller durchaus "normal".
... vermutlich ein netter Beleg der Solinger Messerhistorien, wo Altbestände an Material schon mal aufgebraucht wurden, ohne auf Corp. Identity zu achten. ...
Gruß
Abu
Für ausgeschlossen halte ich, dass "Altbestände ... aufgebraucht wurden, ohne auf Corp. Identity zu achten."
Dazu hätte es ganz offensichtlich keinen Grund gegeben, denn
1. hat H. Böker dieses Messer ja bekannterweise bereits jahrzehntelang mit eigener Klingenmarkierung angeboten und
2. hätte Böntgen & Sabin sicherlich problemlos ein "neutrales" rundes Schild anfertigen oder beschaffen können, ohne ein Böker BAUMWERK-Schild anzubringen.
Für eine "offizielle" Herstellung dieses ungewöhnliche "kombinierten" Sportmessers durch Böker oder Böntgen & Sabin gibt es für mich keine überzeugende Begründung.
Vielmehr halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass als Alternative zu einer naheliegenden "Reparatur" (Ersatz eines fehlenden Emblems) dieses ungewöhnliche Sportmesser durch einen anderen Akteur der Solinger Arbeitsteilung entstanden ist.
In post # 154 beschreibt abu bereits selbst in Zusammenhang mit Hartkopf TEUFELSKERLE Sportmessern:
Dann hätte ich ja meine sehr geschätzten Hartkopf Teufelskerle komplett. Beide in exzellenter Qualität!
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Noch ein Grund besonderer Wertschätzung: Ich hab die beiden Sportmesser direkt von einem Solinger Taschenmesser-Reider, der sie einst selbst zusammengebaut hat - und natürlich den Heinrich Hartkopf noch persönlich kannte.
Grüße
Abu
"Solinger Taschenmesser-Reider" waren als "Heimarbeiter" selbständige Unternehmer, die sich in ihren eigenen Werkstätten getrennt von den Messerherstellern auf den Zusammenbau von Taschenmessern spezialisert hatte.
Sie arbeiteten üblicherweise nicht exklusiv für einen Messerhersteller sondern durchaus für konkurrierende Taschenmesser-Hersteller.
Sämtliche Einzelteile wurden ihnen von den Unternehmern für die Fertigung zur Verfügung gestellt, oft auch zusätzliche Einzelteile "in Reserve", um möglichen Schwund beim Zusammenbau sofort ausgleichen zu können.
Dies führte im Einzelfall dazu, dass Einzelteile "übrigbleiben" konnten, und im Laufe der Zeit komplette Messer "außerhalb des offziellen Auftrags" zusammengebaut werden konnten und diese Messer dann abseits des "offiziellen Vertriebsweges" direkt von den Heimarbeitern verwendet oder wie auch immer den Besitz wechselten.
.... Die Verwendung der Klingen legt aber nahe, dass es nach 1970 gebaut wurde. ...
Gruß
Abu
Die zeitliche Zuordnung für "nach 1970 gebaut" kann ich nicht nachvollziehen.
Ich kenne leider keine belastbaren Dokumente, seit wann Böntgen und Sabin dieses Messer gefertigt hat und ob es überhaupt bis zum Firmenende gefertigt worden ist.
Was sollte dagegen sprechen, dass dieses Messer bereits vor dem Firmenende von Böntgen & Sabin gefertigt wurde und ggf. das Schild zu einem späteren Zeitpunkt getauscht wurde?
Mit Interesse werde ich die weitere Entwicklung zur Historie und zu möglichen weiteren Herstellern des Sportmessers verfolgen.
twins