Hallo alle zusammen!
Das ist mein erstes Posting hier im Forum, also möchte ich mich ganz kurz vorstellen. Ich heiße Stefan und bin relativ frisch in der Messerliebhaber Szene. Ich studiere Wirtschaft u. Chinesisch in Wien und hab auch in China studiert und gearbeitet. Bin also in der Materie ein wenig vertraut.
Zum Thema:
Kopieren bzw. Nachahmen hat in China (durch Konfuzius) den hohen Stellenwert, da man zuerst lernen soll, bevor man etwas eigenständiges Macht. Kennt man vielleicht aus dem Kampfsport - zuerst wird einmal jahrelang trainiert, bevor man selber anfängt zu varieren. Wenn man einen gewissen Grad hat (nach 10-20 Jahren oder mehr), kann man anfangen eigene Techniken zu entwickeln.
Da ist halt ein Unterschied zu der westlichen Einstellung, die oft nach einem Try&Error Schemata abläuft.
Beide Methoden haben gewisse Vor- und Nachteile.
Bezüglich Messer - man kann es in diesem Kontext so auffassen, dass einige Hersteller zuerst einmal probieren das Original nachzumachen bevor sie etwas eigenes Entwickeln.
ABER
Bei so einem systematischen Vorgehen, wo auch die Aufschrift kopiert wird und die Messer als echt verkauft werden, gehts alleine darum vom Markennamen zu profitieren oder sich die Design Kosten zu sparen.
Und damit haben wir es in 90% der Fälle zu tun.
Wenn dann ein chinesischer Geschäftsmann mit dem Spruch "wir kopieren nur Produkte von Herstellern, die wir bewundern weil sie so gut sind" daherkommt, hat man ihn ertappt und er möchte die Unangenehme Situation beseitigen.
Ein westlicher Reflex wenn man ertappt wird, ist oft leugen, faule Ausreden und auf die "Eigenständigkeit" des Designs zu pochen (z.B. Der Clip ist ganz anders! Die Ähnlichkeit ist ein Zufall etc.)
Asiaten sind da meiner Meinung nach cleverer - Leugnen ist da Sinnlos, da ist es besser den anderen zu schmeicheln und ihn dadurch etwas zu besänftigen. Das geht aber manchmal extrem schief, da wir Europäer solche Verhaltensweisen nicht gewohnt sind und das als "Verarsche" interpretieren.
Ein Unrechtsbewusstsein ist hier nicht besonders ausgeprägt - Der Marken- und Patentschutzansatz ist wie ein Vorposter gesagt hat, bei uns im Westen entstanden und wie es bei uns oft praktiziert wird wirkt es auf mich auch ein wenig übertrieben.
(Kein Mensch erwartet sich bei einem "Spyderklo" ;-) um 3 Euro, dass er da ein echtes Produkt kauft. Der Kenner sieht auf einen Blick, dass es eine Fälschung ist, der Laie würde nicht 150 Euro für ein Taschenmesser ausgeben. Wenn er das Messer wirklich nutzen muss (Arbeit - Outdoor) kauft er sowieso keine 3 Euro Fälschungen.
Im besten Fall kauft sich der Laie zuerst ein 3 Euro Fake und kommt dann auf den Geschmack bzw. will er eine bessere Qualität haben. Dann wechselt er sowieso zu den Originalen. (War bei mir so - hab mir vor eine knappen Jahr aus purer Laune bei der Bucht ein Outdoor Messer und einen Folder gekauft - von Columbia -, bin auf den Geschmack gekommen und hab jetzt 2 CRKT, 1 Coldsteel und demnächst ist Spyderco dran
Aber zurück zu China - China ist wirtschaftlich (und auch politisch) noch auf einen ganz anderen Level als wir in Europa sind. Bei denen entwickelt sich das ganze noch - aber mit einem extremen Tempo.
Zum Teil fehlt es noch an guten Produktionsmaschinen, spezialisierten Facharbeitern und Erfahrung - daher produzieren viele billige Fakes.
Inzwischen haben sie aber das Geld für bessere Maschinen, Facharbeiter werden ausgebildet und Erfahrung ist immer mehr vorhanden.
Das nur schlechtes Zeug aus China kommt, stimmt also nicht mehr wirklich -
Ich verweise da z.B. jetzt auf das Cheaperthandirtknife das auf Knifetests.com für Aufregung gesorgt hat oder z.B. die Byrd Reihe die mit einem fantastischen Preis/Leistungsverhältnis auftrumpft.
Übrigens wird in China der Patentschutz von der Regierung immer ernster genommen - sicherlich wegen dem Druck aus dem Westen, aber vor allem deswegen da viele Chinesische Produzenten, die (inzwischen) Waren von guter Qualität herstellen oft von ihren eigenen Landsleuten kopiert werden
Ist halt alles ein Entwicklungsprozess - aufgrund der Größe von China und der Geschwindigkeit in der die Entwicklung stattfindet, bekommen wir mehr davon mit als z.B. damals bei Japan oder Südkorea.
Übrigens noch eine interessante Geschichte.
Das "Qualitätssiegel" "Made in Germany" wurde im letzten Jahrhundert von den Engländern durchgesetzt. Die Deutschen kopierten so oft Englische Produkte mit einer solch schlechten Qualität, dass der Konsument durch diesen Aufdruck gewarnt werden sollte.
Ich hoffe ich habe euch jetzt damit nicht zu sehr gelangweilt...
lg Stefan