Interessanter Artikel zu Notwehr und Verhältnismäßigkeit

Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Die Verhältnismäßigkeit bezieht sich aber nicht, wie ebenfalls bereits geschrieben, auf das angegriffenen Rechtsgut und das durch die Verteidigung bedrohte Rechtsgut.

Die Argumentationen von Pitter und Siggi42 sind doch gar nicht so verschieden.

Genau das ist die Verhältnismäßigkeit zwischen Angriff und Abwehr...
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wird spätestens
im Nachhinein durch den Richter eben immer geprüft, ob das vom Angegriffenen gewählte Mittel, das relative mildeste war, um einen
Abruch des Angriff erwarten zu lassen oder auch eben auch den
sofortigen Abbruch (dein BGH-Zitat). Aber eben nur abhängig vor
der Art und des Maßes des Angriffs... (wieder dein BGH-Zitat).
Und das ist es eben nicht dem Täter in den Rücken zu schiessen, sondern
diesen flüchten zu lassen...

Das mildeste (und deswegen einzig erlaubte) Mittel, einen Diebstahl zu verhindern ist also, den Dieb ohne Gegenwehr flüchten zu lassen? Also nee, das glaube ich jetzt einfach nicht. :glgl:
 
Danke für die zahlreichen Antworten!

Sollte ich mal in so eine Situation kommen, hoffe ich, dass mir dieser Thread dann vor dem geistigen Auge vorüberzieht wie das Leben vor dem Sterben und mich zu der richtigen Handlung führt :D

liebe Grüße
 
Das mildeste (und deswegen einzig erlaubte) Mittel, einen Diebstahl zu verhindern ist also, den Dieb ohne Gegenwehr flüchten zu lassen? Also nee, das glaube ich jetzt einfach nicht. :glgl:
Dass es auf das Zitat bezogen, nutzlose Wortklauberei ist, merkst Du aber selbst, oder ?
Da steht nichts von "ohne [jegliche] Gegenwehr", sondern nur von "nicht in den Rücken schießen"
siggii42 schrieb:
Und das ist es eben nicht dem Täter in den Rücken zu schiessen, sondern
diesen flüchten zu lassen...
"hinterrücks Aktivitäten" erzeugen grundsätzlich einen suspekten Eindruck für jegliche Bewertungen.

Gruß Andreas
 
Letztendlich verwendest du Pitter die richtigen Argumente. All das ist
eine Verhälnismäßigkeitsprüfung. Das Notwehrrecht ist immer einzelfall-
bezogen und relativ kompliziert. Dem Dieb einen Stock hinterherwerfen
ok. Schiessen nein. Das ist meine Meinung und deine ist eben anders.

Naja ;) Meine Meinung basiert auf der mir bekannten Rechtslage, aber zugegeben, ich habe verkürzt. Ich meine natürlich nicht, dass man einen fliehenden Dieb "einfach so" mal durch einen Schuß in den Rücken töten darf - "sollen" schon dreimal nicht, ist ja klar.

Es geht darum, dass dieser Schuß eben durchaus das mildeste Mittel sein kann (unter Beachtung der allgemeinen Forderungen, wie etwa Hinweis auf die Waffe, Warnschuss, erstmal Schuß in die Beine etc.). Und dass man eben nicht argumentieren kann, es ginge nur um materiellen Schaden. Wenn eine bestimmte Notwehrhandlung nötig ist, dann ists sie eben nötig, letztlich eben auch die Tötung des Diebes.

Es wird spätestens
im Nachhinein durch den Richter eben immer geprüft, ob das vom Angegriffenen gewählte Mittel, das relative mildeste war, um einen
Abruch des Angriff erwarten zu lassen oder auch eben auch den
sofortigen Abbruch (dein BGH-Zitat).

Ja

Und das ist es eben nicht dem Täter in den Rücken zu schiessen, sondern
diesen flüchten zu lassen...

Meinst Du das generell? Dann NACK. Ich finde dazu keinerlei Beleg in der Rechtsprechung. Muss ja nichts heissen, vielleicht findest Du was.

Ich werde dir gegen Ende der Woche einfach mal nen paar Kommentare,
die sich an der geltenden Rechtsprechung und den wichtigsten Urteilen
orientieren, zukommen lassen (wenn du magst).

Sicher. Die Quellenrecherche im Internet ist mühsam, auch wenn immer mehr Urteile im Volltext veröffentlicht werden.

Netter Aufsatz zum Thema Notwehr: http://www.juraplus.de/AUFSATZ/VRS/aktuelles0203.pdf

Pitter
 
Vielen Dank für den verlinkten Aufsatz- endlich eine Quelle, die einem Laien (wie mir) einen groben Überblick ermöglicht.

Edit:
Offenbar ist es aber in der Praxis der aktuellen deutschen Rechtssprechung doch so, daß man sich erst wehren darf, wenn man schon wehrlos am Boden liegt- mit einem Bein steht man anscheinend in einer Notwehrsituation immer schon im Knast...

http://www.tz-online.de/aktuelles/m...ehr-student-bekommt-neuen-prozess-465262.html
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Bundestagswahl 27.09.09

zum Thema "Verstand ist die beste Waffe":

Das stimmt. Werde ich von einer Überzahl Angreifer bedroht und ist ein Rückzug nicht möglich, würde mich sicher (und hoffentlich) mein Verstand dazu bringen zu einer der SV-Waffen zu greifen, die ich immer bei mir führe, um ein Totgetretenwerden zu vermeiden.
 
Meinst Du das generell? Dann NACK. Ich finde dazu keinerlei Beleg in der Rechtsprechung. Muss ja nichts heissen, vielleicht findest Du was.

Pitter

Nein generell natürlich nicht, aber in dem von dir geschilderten Fall
schon. Obwohl ich hier eher dazu tendieren würde, dass es sich dann
nicht mehr um eine Notwehr handelt.

Habe nochmals mit einer Bekannten gesprochen, die ist Richterin in der
Strafkammer. Und dann mal versuchen gegen Ende der Woche, die nen
paar Kommentare zukommen zu lassen (wahrscheinlich aber eher in
Papierform...:) ).
 
Also dem Beck'schen Kommentar (Dr. Fischer; Richter am BGH) nach,
liegt ein Angriff auch dann noch vor (dauert an), wenn der Dieb mit
der Beute flüchtet. Insofern wäre gegen den flüchtenden Dieb auch
noch die Notwehrhandlung zulässig.

Die Verteidigung muss "geeignet" sein, dabei bestimmen die Art und
Gefährlichkeit des Angriffs (eingesetzte Mittel etc.) die Art und das
Maß der Verteidigung. So darf sich der Angegriffene grundsätzlich des
Abwehrmittels bedienen, dass er zur Hand hat und dessen Einsatz die
sofortige und engültige Abwendung der Gefahr bedeutet. Die der
angegriffenen Person drohende Schädigung muss nicht mit den
Folgen des Notwehrakts "annähernd gleichwertig" sein.
ABER stehen jedoch mildere Handlungsalternativen zur Verfügung,
also die für den Angreifer am wenigsten gefährliche und bleibt die
Zeit diese zu wählen, so ist diese auch einzusetzen. Der Angegriffene
kann grundsätzlich, wenn er damit Intensität und Gefährlichkeit des
Angriffs nicht unnötig überbietet, ein mittel wählen, das, auch bei
Abschätzung der beiderseitigen Körperkräfte Erfolg verspricht.

Also alles in allem, ist das Notwehrrecht kompliziert und sehr einzelfall-
bezogen. Naatürlich kannst du auch zur Waffe greifen, wenn dies
dein einzigstes Mittel ist, den Angriff sicher zu verteidigen. Dabei ist
es dann auch unerheblich, ob die Folgen für den Angreifer ausser
Verhältnis stehen. Allerdings ist auch hier eine Verhältnismäßigkeit
gegeben, weil der Angreifer mich dazu in eine lebensgefährliche,
höchste bedrohliche Lage bringen muss. Das ist definitv nicht der Fall,
wenn mir meine Handtasche gestohlen wird.

Eine Verhältnismäßgkeit wird zwischen dem Angriff und der Abwehr
gefordert, jedoch nicht zwischen den verletzten Rechtgütern. Also ist
daher auch zu definieren, mit welchem Mittel dich der Angreifer bedroht,
wenn der die Handtasche stehlen will...
 
Also alles in allem, ist das Notwehrrecht kompliziert und sehr einzelfallbezogen. Naatürlich kannst du auch zur Waffe greifen, wenn dies dein einzigstes Mittel ist, den Angriff sicher zu verteidigen. Dabei ist es dann auch unerheblich, ob die Folgen für den Angreifer ausser Verhältnis stehen. Allerdings ist auch hier eine Verhältnismäßigkeit gegeben, weil der Angreifer mich dazu in eine lebensgefährliche, höchste bedrohliche Lage bringen muss. Das ist definitv nicht der Fall, wenn mir meine Handtasche gestohlen wird.

Also nach den vielen Meldungen der letzten Monate, in denen Jugendliche (oder junge Erwachsene) meist in Gruppen ältere Menschen zusammengeschlagen und -getreten haben, was in einigen Fällen auch zum Tod geführt hat, kann ich nicht nachvollziehen, warum man sich in den Augen einiger Richter nicht mit einem Messer verteidigen darf, wenn man von 5 Jugendlichen bedroht wird und der Freund schon KO geschlagen wurde :mad:

Leben die in einer Anderen Welt als ich oder warum sehen die in diesem Fall keine "lebensgefährliche, höchst bedrohliche Lage"??? Welche Rolle spielt denn dabei, ob das Opfer (bzw. in den Augen der Richter der Täter) vorher 1 oder 5 Bier getrunken hat und wofür das Messer mitgeführt wurde? Es war halt das einzige greifbare Werkzeug, um den Angriff mit Sicherheit abzuwehren...
 
Also nach den vielen Meldungen der letzten Monate, in denen Jugendliche (oder junge Erwachsene) meist in Gruppen ältere Menschen zusammengeschlagen und -getreten haben, was in einigen Fällen auch zum Tod geführt hat, kann ich nicht nachvollziehen, warum man sich in den Augen einiger Richter nicht mit einem Messer verteidigen darf, wenn man von 5 Jugendlichen bedroht wird und der Freund schon KO geschlagen wurde :mad:

Es ist nicht gesagt, dass du das nicht darfst.

Es muss grundsätzlich nicht das mildestes Mittel gewählt werden, sondern
das, welches die am schnellsten zur Verfügung steht und den sofortigen
Abbruch des gegenwärtigen Angriffs zur Folge hat. Dabei ist auch, wie
bereits beschrieben, Art und Maß des Angriffs entscheidend.

Es kommt immer auf den Einzelfall an. Es macht wohl wenig Sinn, wenn
wir mit dieser Diskussion erneut anfangen.
 
Leben die in einer Anderen Welt als ich oder warum sehen die in diesem Fall keine "lebensgefährliche, höchst bedrohliche Lage"???

ad 1: weiss ich nicht. Ich denke mir zugebenermassen auch manchmal, naja: Papa Jurist, mit Samsonite oder Goldpfeil Köfferchen, sauber gescheitelt durch die jurtistische Fakultät, Top Examina, nicht ganz so geringe Bezüge, Freiheit des Richteramts, Pension, Tennis, Golf und Cabrio. Was weiss der bitte, was ausserhalb der Nobelsiedlung am Stadtrand (5Min zum Zentrum, aber Lage im Grünen) auf der Welt los ist. Und da die theol. Fakultät neben der juristischen war, das Studicafe dazwischen, weiss ich halt: ja, viele sehen so aus und denken auch so.

Andererseits, das Leben ändert vieles ;) Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass jemand, der länger als ein Jahr am Jugendgericht arbeitet und täglich mit den Pappnasen zu tun hat, nicht mitbekommt, was da für Früchtchen herumlaufen.

Das "die" wird wohl einer Einzelfallbetrachtung weichen müssen ;)

ad 2: siehe zB http://www.juraforum.de/jura/news/printable/f/196/id/295472/ - Kriminalwissenschaftliche Doktorarbeit der Uni Bremen zum Delikt "Tottreten"

u.a. der Satz: "Vielfach wird durch das Strafgericht trotz schwerster Misshandlungen ein Tötungsvorsatz des Täters nicht angenommen. Der Grund: Es sei nicht auszuschließen, dass ihm die konkrete Gefährlichkeit der Verletzungen im Tatzeitpunkt nicht bewusst gewesen ist"

Pitter
 
Zuletzt bearbeitet:
Naatürlich kannst du auch zur Waffe greifen, wenn dies
dein einzigstes Mittel ist, den Angriff sicher zu verteidigen.

Ich werde einen Angriff gegen Leib und Leben meiner oder mir nahestehender Personen nicht "verteidigen".

Ich werde diesen Angriff abwehren oder dies zumindest versuchen; mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln.

Ich werde in diesem Augenblick weder eine Verhältnismäßigkeit prüfen noch nach dem mildesten Mittel suchen.

Wer mich angreift muß mit allem rechen, ebenso wie ich damit rechne später von einem Gericht zur Rechenschaft gezogen zu werden.
 
Ich würde das Leben meiner Liebsten ebenfalls mit allem verteidigen. ;)

Ich glaube allerdings, dass man, abgesehen von den hier aufgezeigten
Beispielen, instinktiv das richtige tut. Natürlich kann das ein Richter hinterher
anders sehen. Aber wie bereit sgesagt, weiß keiner, wie sich die hier
disskutierten Fälle tatsächlich abgespielt haben, noch wie hoch die
Prozentzahl solcher Rechtssprechungen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man darf immer nicht vergessen, dass der Richter im Rahmen der
gesetzlichen Schranken, frei in seiner Entscheidungsfindung ist. Auch
aus diesem Grund ist es möglich in Bertufung und Revision zu gehen.

Und man kann diese Fälle noch sooft themantisieren. Es macht keinen
Sinn, solange man nicht den konkreten Sachverhalt kennt bzw. die
tatsächlichen Tatumstände.
 
Muß man erst die Gerichtsakten kennen um über einen Fall zu diskutieren?
Reicht nicht die Darstellung des Falles in diversen Medien?
Reicht nicht die Tatsache, daß der BGH den Fall zur Revision zugelassen hat?
Reicht nicht der Tadel des BGH, das Münchner Schwurgericht sei den besonderen Umständen des Falles nicht gerecht geworden?

Wir können sehr wohl über diesen und ähnliche Fälle diskutieren. Auch ohne sämtliche Fakten zu kennen.
Folgt dieser Fall resp. das hier gesprochene Recht der Tendenz, Opfer zu Tätern und Täter zu Opfern zu machen.

Ich glaube kaum daß zielgerichtetes Handeln und Abwägung der Mittel von einem verängstigten und um sein Leben oder seine Gesundheit fürchtenden Opfer verlangt werden können.

In der Nachbetrachtung hat ein Gericht alle Zeit der Welt, Für und Wider gegeneinander abzuwägen und gute Ratschläge zu erteilen.

Was kein Gericht nachvollziehen kann ist die Angst eines Opfers das sich mehreren Angreifern gegenüber sieht. Die es zudem nicht bei verbalen Angriffen beließen.

Der Staat fordert von seiner Bevölkerung Zivilcourage. Fordert daß nicht weggesehen sondern gehandelt wird.

Um wieviel mehr müsste er dann das direkte Opfer eines Angriffes verstehen?

Und wer hat schon Zeit die Täter zu bitten von ihrem Vorhaben abzusehen. Zumindest solange bis sich das Ziel ihres Angriffes in einschlägigen juristischen Fachbüchern über seine Möglichkeiten zur Gegenwehr schlau gemacht hat.
 
Muß man erst die Gerichtsakten kennen um über einen Fall zu diskutieren?

JA (Ermittlungsakten)!

Reicht nicht die Darstellung des Falles in diversen Medien?

NEIN!

Reicht nicht die Tatsache, daß der BGH den Fall zur Revision zugelassen hat?
Reicht nicht der Tadel des BGH, das Münchner Schwurgericht sei den besonderen Umständen des Falles nicht gerecht geworden?

siehe auch Post #9 :ahaa:

So ich klinke mich jetzt aus, bevor der Trollalarm die Mods auf den
Plan ruft...:steirer:
 
Mit Deinem "Ja" zur ersten Frage sind dann wohl auch Diskussionen in Funk- und Fernsehen, Printmedien und Politikausschüssen obsolet.
Denn die dort handelnden Personen kennen ja nicht die Ermittlungsakten.
Klingt nach einem Maulkorb.

Und wen bitte bezeichnest Du als Troll?
 
Status
Für weitere Antworten geschlossen.
Zurück