Keine Vorteile bei rostenden Stählen?

Vorweg, ich stelle die wissenschaftlichen Ergebnisse nicht in Frage. Aber seit meinem Maschinenbaustudium vertraue ich den eigenen Erfahrungen aus der Praxis noch mehr.

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Gar nicht mal bewusst von Kevins Seite aus, sondern an der Allgemeinhit seiner potentiellen Kunden/Käufern vorbei, weil rostend scheinbar eben nicht "zeitgemäß" ist. Dürfte ein Resultat vieler Faktoren sein. Kevin hat einen "Contraindikator" aus dem Forum aufgenommen, weil hier eben nicht alles auf "rostfrei" gesetzt wird und rostend als unterrepräsentiert in der höheren Qualitätsstufe/Preisklasse mehr oder weniger gefordert wurde. ..........


Gruß Andreas


Hier im Forum ist seit einiger Zeit NUR NOCH rostend und Damast gefragt, zumindest kommt es mir so vor. Heraus kommt ein Einheitsbrei aus 2842/2767 Damast mit WEH Schalen und Puddeleisenbeschlag. Da braucht ihr nur den diesjährigen Messerkalender anschauen.

Handwerklich geniale Teile, wirklich sehr schön anzusehen. Nur nicht meine Philosophie.

Meine Messer haben die Brauchbarkeit in allen Lebenslagen als Voraussetzung zu erfüllen. Und das mit einer brauchbaren Schneidengeometrie.
Dazu gehören nun mal sehr unempfindliche Werkstoffe.

Ein Soldat hat sein Messer an der Ausrüstung oder im BOB, wenn er es braucht, muß es funktionieren!
Ein Jäger hat beim Aufbrechen selten Öl dabei, Schweiß an der Klinge ist korrosiv.
Im Kanu/Schlauchboot unterwegs im hohen Norden hilft WD40/Ballistol/Sentry Solutions....... nicht viel. Die Schneide wird stumpf "rosten". Dabei ist ein Messer am Mann mit das wichtigste Ausrüstungsteil des first line equipment.

In diesen, selbst erlebten, Szenarien kann rostendes Material seine (theoretischen) Vorteile nicht ausspielen.

Klingenbeschichtung hilft nichts an der Schneide.
Holz, auch stabilisiertes, arbeitet in Klimaänderungen.
Leder, auch als Griff, weicht auf und modert, und fördert deutlich Korrosion.
Rostafrei, Micarta, G10, Titan, CFK, Kydex ist mein Weg.

Form follows function, function follows requirement.

Jedem Tierchen sein Pläsierchen :super:
 
Ich mein das dürfte doch nun alles klar sein.
Ich sach mal.
"Wo gibt es Rostfreie Feilen?"
Die währen für rostfreies Material und in feuchter Umgebung doch gut, und selbst wenn die etwas mehr kosteten, würden die Abnehmer finden, nur die Belastungen sind wohl für Rostfrei zu hoch.
 
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Hier im Forum ist seit einiger Zeit NUR NOCH rostend und Damast gefragt, zumindest kommt es mir so vor.
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Ist das jetzt an mich gerichtet, oder nur noch mal aufgegriffen ?
Ich sehe es ähnlich. Das ist doch das, was ich geschrieben hatte:

Hier im Forum ist es so, aber ausserhalb nicht oder nur bedingt/zeitweise -> Forumsmeinungen/-wünsche sind nicht repräsentativ für die Allgemeinheit und ein hauptberuflicher Messermacher aus dem Forum macht garantiert keine Messer nur für Forumiten, da würde er sicher verhungern...

Gruß Andreas
 
Ist das jetzt an mich gerichtet, oder nur noch mal aufgegriffen ?
Ich sehe es ähnlich. Das ist doch das, was ich geschrieben hatte

Deinen Satz habe ich aufgegriffen, weil es mir durchaus repräsentativ für das MF erscheint.
Mir liegt es fern, hier jemanden anzugehen oder zu beleidigen.
Mir geht es um Toleranz, betrachten des Standpunktes der Diskussionspartner und um REFLEKTION des eigenen Standpunktes.

Ich will keinen Glaubenskrieg!

Es kommt immer auf den geforderten Einsatzzweck an. 1.2552 an WEH und Lederhose (so hier irgendwo beschrieben) wird wohl kaum jemand als Tauchermesser mißbrauchen.
Talonit wird als Skalpellmaterial in der plastischen Chirurgie wenig Erfolg haben.
Ich will das Messer für alle Fälle, das non plus ultra. Dass das nicht geht weis ich auch. Aber ich suche trotzdem weiter.
Spezialisierung ist für Insekten, der Universalist übersteht :teuflisch
Im Sinne von R.A. Heinlein
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Der persönliche Idealkompromiss kann ja auch bedeuten, dass man ein rostfreies verwendet, gar kein Problem. Zum Angeln zum Beispiel würde ich vielleicht auch mit einem rostträgen losziehen, wenn ich mir alles frei aussuchen könnte. Ich mag nämlich den Geruch von Stahl+Fisch nicht so gerne (besonders den, der dann nen Tag lang an meinem Messer hängen bleibt), und den Fisch ums Leben bringen und aufmachen geht mit der rostfreien Klinge gut genug.

Es bleibt aber dabei, der einzige Grund, einen rostträgen Stahl zu nehmen, bleibt eben die Korrosionsbeständigkeit und nichts anderes.

Das mit dem "stumpf rosten" kann ich im Extrembereich übrigens bestätigen, auch wenn mir das noch nicht in der Scheide passiert ist. Bei mir macht sich das eher in der Weise bemerkbar, dass eine wirklich extrem scharf abgezogene Klinge den letzten Biss bei Kontakt mit sehr korrosiven Medien (Zitronensaft und besonders auch der rote Körpersaft von Viechern) verliert. Die verbleibende Schärfe liegt dann aber immer noch bei weitem in einem Bereich, den 90% aller Messer nie gesehen haben udn lässt sich durch Abziehen sehr schnell wieder auf den vorherigen Stand bringen. Für mich "lebt" eine Klinge sowieso, d.h. Schärfen ist eine Routineangelegenheit, um die volle Leistungsfähigkeit zu erhalten, und das hat nichts mit rostträge oder nicht zu tun.

Wo sich die Schneidkantenstabilität immer wieder sehr poeitiv bemerkbar macht ist beim Kontakt mit Knochen. Ich bin da meistens recht rücksichtslos zu meinem heissgeliebten Gebrauchsmesser. Wenn das Schloss von einem Stück Wild auf muss (mache ich inzwischen nicht mehr, hat aber andere Gründe), dann wird das Messer da durch getrieben. Eventuelle Schäden an der Schneide sind minimal und lassen sich leicht beseitigen.
Die schlechteste Idee in dem Zusammenhang bisher war, das Messer zu benutzen, um ein paar Gänse zwecks der Kühltruhenfertigkeit (spät, nass, müde, keine Rosenschere zur Hand, musste schnell gehen :rolleyes:) mit Hackbewegungen ihrer Ruderfüße zu entledigen. Die Röhrenknochen von Vögeln sind sehr, sehr hart, und ich möchte nicht wissen, wie eine ansonsten identische rostfreie Klinge nach so einer Tortour ausgesehen hätte. Dagegen ist das "Stumpfrosten" ein Witz. Der 1.2842 hat das mit Würde weggesteckt und war nach kurzer zeit auf dem Stein wieder ganz der alte.

Übrigens, falls mal einer in die Verlegenheit kommt, die Lösung ist folgende: Messer umdrehen, Knochen mit dem Messerrücken zertrümmern und das Paddel dann ganz easy abschneiden. ;)
 
Es bleibt aber dabei, der einzige Grund, einen rostträgen Stahl zu nehmen, bleibt eben die Korrosionsbeständigkeit und nichts anderes.

Nein, das ist eben nicht der einzige Grund.

Wenn der Verwendungszweck eines Messer hauptsächlich darin besteht, Kartons klein zu schneiden - was bei mir jeden Tag der Fall ist - dann ist ein Messer mit einer Klinge aus einem hochlegiertem CPM samt stabilen Schneidenwinkel eben einer Kohlenstoffstahlklinge in Bezug auf Schnitthaltigkeit überlegen. Alle anderen etwaigen Nachteile fallen bei dieser Anwendung nicht auf.

Rostende Stähle können eben auch nicht alles besser. Langsam wirds abstrus.

Pitter
 
Wenn der Verwendungszweck eines Messer hauptsächlich darin besteht, Kartons klein zu schneiden - was bei mir jeden Tag der Fall ist - dann ist ein Messer mit einer Klinge aus einem hochlegiertem CPM samt stabilen Schneidenwinkel eben einer Kohlenstoffstahlklinge in Bezug auf Schnitthaltigkeit überlegen.

Ist das wirklich so? Ich habe mal grade im kleinen Stahlschlüssel bei den Kaltarbeitsstählen nachgeguckt, und zwar bei allen, die einen zweistelligen Prozentanteil an Chrom haben. Das geht übrigens deswegen relativ schnell, weil deren Anzahl von vorneherein sehr überschaubar ist. ;)

Beim Einsatzgebiet steht da nahezu ausnahmslos entweder was von Korrosionsbeständigkeit oder von Sachen, für die sehr große Schneidenwinkel verwendet werden, also eher Stanzen und Scherenmesser als irgendwas, was mit Handmessern zu tun hat. Die einzige Ausnahme ist der 1.2880 mit 11-12% Cr und 1.55-1.75% C, bei dem als Verwendung u.A. Hobel- und Ledermaschinenmesser angegeben sind. Interessant. Ansonsten nichts zu finden.

Natürlich würde man für ein Papiermesser keinen C70 oder 1.2842 nehmen, sondern einen antsprechend optimierten Stahl. Also eher was mit mehr C und z.B. Wolfram für feine, verschleißfeste Karbide. Bei den 1.25XXern wird man dann auch fündig, 1.2519 wäre z.B. so ein Kandidat. Und da wäre ich doch neugierig, wie der (mit optimiertem Schneidenwinkel und hoch gehärtet!) beim Kartonschnippeln gegen z.B. einen S30V "abschneiden" würde.

Wie gesagt, wenn Chrom so ein tolles Legierungselement wäre, um die Schneidleisung für unsere Zwecke zu steigern, warum wird das dann in der Industrie fast nur bei Stählen verwendet, die korrosionsbeständig oder warmfest sein müssen? Ich weiss es echt nicht, so tief wie manche hier stecke ich nicht in der Materie drin. Für mich hat das Wort von Roman, Herbert, Achim und Co. (und dem Rest der Leute, die mit sowas ihr Geld verdienen) halt erheblich mehr Gewicht als ein weitgehend von Marketing getriebener "Zivilmarkt", der von Hobbynutzern lebt.
 
Ist das wirklich so?

Das ist zumindest mein Eindruck und meine Erfahrung, nach knapp zehn Jahren, seit denen ich nicht nur mit einem SAK schneide, ja ;). Je mehr Hightech - auf deutsch, je mehr Karbide - desto länger ist die Standzeit. Bei genau der Anwendung.

Wie gesagt, wenn Chrom so ein tolles Legierungselement wäre, um die Schneidleisung für unsere Zwecke zu steigern, warum wird das dann in der Industrie fast nur bei Stählen verwendet, die korrosionsbeständig oder warmfest sein müssen?

Ja was weiß ich, weil CPM Stähle in Anschaffung/Bearbeitung zu teuer werden, weil man für höhere Standzeiten eh gleich Hartmetall verwenden kann, weil auch die Nachschärfbarkeit eine Rolle spielt, weil feine Schneiden gefordert werden....das ist halt Industrie.

Ich weiss es echt nicht, so tief wie manche hier stecke ich nicht in der Materie drin. Für mich hat das Wort von Roman, Herbert, Achim und Co. (und dem Rest der Leute, die mit sowas ihr Geld verdienen) halt erheblich mehr Gewicht als ein weitgehend von Marketing getriebener "Zivilmarkt", der von Hobbynutzern lebt.

Ich kenne viel mehr Leute, die mit der Verwendung von rostfreien Stählen ihr Geld verdienen. Haben die deswegen mehr recht? Sicher nicht.

Und: Solange ich die Stahldiskussion hier im Forum mitbekomme, haben weder Roman, Herbert, Achim oder sonst einer aus der Kohlenstoffstahlfraktion jemals bestritten, dass die für Messer üblicherweise verwendeten hochlegierten Stähle bei geeigneter Verwendung eine Verschleissfestigkeit bieten, die die üblicherweise verwendeten wenig legierten Stähle eben nicht haben. Das deckt sich auch mit dem, was ich aus den Kennfeld Datenblättern von Roman erkennen kann. Da ist hier - nach meinem Eindruck - seit Jahren common sense.

Der Ausgangspunkt war Kevin: Rostend kann nichts, was nicht rostend nicht auch könnte
Jetzt kommst Du: Das einzige, was nicht rostend kann, ist eben nicht zu rosten


Pitter
 
Ist genau auch meine Erfahrung. Die CPM-Stähle können ganz schön was ab hinsichtlich der Verschleißfestigkeit. Mein Spyderco Military, was ich jahrelang als EDC hatte, brauchte ich nur aller paar Monate mal kurz abziehen und dann war es wieder fit.
Mit einem Svörd Peasant hatte ich letztens mal ein paar Kartons zerlegt, danach musste ich erstmal wieder mit dem 1000er ran und dann abziehen. Die Pappe hatte die Schneide richtiggehend rundgelutscht.

Daher würde ich auch einen CPM-Stahl für Kartons oder eine Strecke Wildschweine, etc. vorziehen. Bei Wasserabenteuern oder als Outdoor-Küchenmesser wäre mir ein rostfreier (1.4034, 1.4116 oder sowas) generell auch lieber.

Was aber die Küche daheim angeht und die Schnitzerei, so sind mir die rostenden eindeutig lieber. Auch wo es hart her geht, wie bei einem Beil oder einer Machete nehme ich lieber rostend.


Ookami
 
[...]Es bleibt aber dabei, der einzige Grund, einen rostträgen Stahl zu nehmen, bleibt eben die Korrosionsbeständigkeit und nichts anderes. [...]

Hum, da wärst du jetzt IIRC tatsächlich der erste, der das so sagt. Ich muss sagen, ich stimme Peter da zu, wenn ich 100 Kartons zerschneiden will oder 40 Wildsauen aufbrechen (nicht, dass ich das schonmal gemacht hätte), dann wäre einer der hochlegierten CPM-Dinger à la S90V oder S60V tatsächliche auch meine Wahl. Und ich benutze gut und gerne rostenden Stahl, aber unter der Prämise eben eine Schneide zu haben, die lange schneidet auf unterem/mittleren Niveau, würde ich nicht zum C-Stahl greifen.

[...] Ich weiss es echt nicht, so tief wie manche hier stecke ich nicht in der Materie drin. Für mich hat das Wort von Roman, Herbert, Achim und Co. (und dem Rest der Leute, die mit sowas ihr Geld verdienen) halt erheblich mehr Gewicht als ein weitgehend von Marketing getriebener "Zivilmarkt", der von Hobbynutzern lebt.

Und ich meine mich zu erinnern, dass "selbst die" für den besprochenen Zweck sagen, dass da ein S90V oder S60V Vorteile hat (bei einer derben Sägeschneide, die ewig halten soll).

Gruss, Keno
 
Der Ausgangspunkt war Kevin: Rostend kann nichts, was nicht rostend nicht auch könnte
Jetzt kommst Du: Das einzige, was nicht rostend kann, ist eben nicht zu rosten
Ganz genau, und das halte ich als Hypothese auch weiterhin so aufrecht, bis mich einer mit technischen Argumenten vom Gegenteil überzeugt. Wenn man es denn mal lesen und verstehen würde, wie ich es geschrieben habe. Das bedeutet auch, nicht einen 440V mit einem C60 zu vergleichen, sondern halt mit einem vergleichbaren C-Stahl.

Klar benutzen die meisten C-Stahl-Verfechter hier nicht solche extremen Stähle in Gebrauchsmessern, eben weil sie ein universelleres Messer haben wollen. Wenn Du einen sinnvollen Vergleich anstellen willst, dann musst Du auch einen extremen C-Stahl hernehmen, wenn auf der anderen Seite extreme rostfreie stehen. Das bedeutet eben z.B. einen 1.2563 oder 1.2453 mit hohem C-Gehalt und einer Menge Wolfram, und nicht einen von den "üblichen" universelleren Stählen. Guck mal in Romans Buch die Kennfeld-Datenblätter für 440V und 1.2562 an, dann hast Du einen annähernd sinnvollen Vergleich.

Sonst kannst Du auch gleich einen Traktor mit einem F1-Wagen vergleichen und damit "beweisen", dass ein Benziner "schneller" ist als ein Diesel. Oder so ähnlich. ;)
 
...
im kleinen Stahlschlüssel bei den Kaltarbeitsstählen nachgeguckt,
...
Wie gesagt, wenn Chrom so ein tolles Legierungselement wäre, um die Schneidleisung für unsere Zwecke zu steigern, warum wird das dann in der Industrie fast nur bei Stählen verwendet, die korrosionsbeständig oder warmfest sein müssen?
Wenn man aber den Stahlschlüssel schon herannimmt, dann sollte man nicht das unterschlagen, was im Abschnitt vor der eigentlichen Stahlliste zu den einzelnen Legierungsmetallen erklärt wird... - das sind mehr Eigenschaften, als nur Korrosions- und Warmfestigkeit, wegen der man Chrom zulegiert. Ich bin sicher, dass Du das auch schon wusstest.

Da steht in der Reihenfolge:
- macht Stahl Öl- und Lufthärtbar
- erhöht die Härtbarkeit, verbessert die Vergütbarkeit -> Chrom ist also auch ein wesentlicher Bestandteil der WB, nicht nur der späteren Verwendung
- zu hoher Cr-Anteil reduziert die Kerbschlagzähigkeit
- Cr ist Karbidbildner, steigert die Schnitthaltigkeit, Verschleißfestigkeit, Warmfestigkeit,

- steigende Cr-Gehalte erhöhen die Zunderbeständigkeit
- für Korrosionsfestigkeit mind. 13% in der Grundmasse gelöster Cr erforderlich

Cr ist fast ausnahmslos in Werkzeugstählen enthalten, auch in denen, die gar nicht unbedingt schneiden müssen.

Gruß Andreas
 
......Kevin: Rostend kann nichts, was nicht rostend nicht auch könnte
Jetzt kommst Du: Das einzige, was nicht rostend kann, ist eben nicht zu rosten........
Ich folge der Diskussion seit Beginn, habe aber das Problem, dass meine eigenen Beobachtungen beim Gebrauch meiner Messer völlig subjektiv und nicht quantifizierbar sind.

Ich verwende u.a. ein selbstgebautes Outdoor-Messer mit einer Klinge, die mir Wolf Borger ganz am Anfang seiner Karriere (etwa 1978) aus 154CM gemacht hat. Die Schneide dieser Klinge ist leicht ballig auf Null ausgeschliffen und relativ fein. Sie kann mit etwas Mühe (HRC 61) sehr scharf geschliffen werden und hält diese Schärfe auch sehr lange, aber was sagt das aus mit so 'unscharfen' Adjektiven?

In meiner Küche verwende ich rostfreie und nicht-rostfreie Messer, darunter auch japanische (nicht aus dem Versand, sondern vor vielen Jahren in Japan gekauft) sowie (muss ich mich schämen?) eines von IKEA.

Wenn ich mir etwas Zeit nehme und mir Mühe gebe, bekomme ich alle Messer für meinen persönlichen Bedarf sehr scharf - die Tomate ist für mich ein guter Maßstab, getestet wird auch oft mit einem weichen Blatt von der Haushaltsrolle.

Meine Werkzeuge zur Holzbearbeitung sind meist aus niedrig legiertem Kohlenstoffstahl - eine Ausnahme bilden chinesische Stechbeitel mit HSS-Schneide. Alle Werkzeuge werden ausreichend scharf, die Unterschiede zwischen den Legierungen (rostfrei/nicht rostfrei) machen sich in meinem Bereich eher in der Standzeit bemerkbar.

Gruß

sanjuro
 
... - das sind mehr Eigenschaften, als nur Korrosions- und Warmfestigkeit, wegen der man Chrom zulegiert. Ich bin sicher, dass Du das auch schon wusstest.

Da habe ich mich allerdings unpräzise ausgedrückt. Mir ging es um Chromgehalte, die man bei rostträgen Stählen antrifft, also ab ca. zweistelligen Prozentzahlen.

Da steht in der Reihenfolge:
- macht Stahl Öl- und Lufthärtbar
- erhöht die Härtbarkeit, verbessert die Vergütbarkeit -> Chrom ist also auch ein wesentlicher Bestandteil der WB, nicht nur der späteren Verwendung
- zu hoher Cr-Anteil reduziert die Kerbschlagzähigkeit
- Cr ist Karbidbildner, steigert die Schnitthaltigkeit, Verschleißfestigkeit, Warmfestigkeit,

- steigende Cr-Gehalte erhöhen die Zunderbeständigkeit
- für Korrosionsfestigkeit mind. 13% in der Grundmasse gelöster Cr erforderlich

Reden wir hier denn über Chromgehalte, die man in rostträgen Stählen antrifft, oder über ein paar einzelne Prozentpunkte? Dass bei Legierungselementen nicht unbedingt "viel hilft viel" gilt, sollte sich hier schon rumgeschwiegen haben, und ich warte auch noch auf denjenigen, der behauptet, dass ein C80 unter schlechter Härteannahme leidet, weil zu wenig Chrom drin ist.

Dann wäre da noch zu fragen, was bei einem Messer der durchschlagende Vorteil von Lufthärtbarkeit oder besserer Durchhärtung ist. Bei einer riesigen Kunststoff-Spritzgussform oder einem Gesenk ist das keine Frage, aber bei Klingen dürfte selbst Jürgen Schanz eher selten Querschnitte produzieren, bei denen die Durchhärtung ein Problem ist. ;)

Cr ist fast ausnahmslos in Werkzeugstählen enthalten, auch in denen, die gar nicht unbedingt schneiden müssen.

Man könnte sogar sagen vorwiegend in Werkzeugstählen, die gar nicht unbedingt schneiden müssen (so wie wir hier "schneiden" definieren). Und halt in einer nicht ganz unerheblichen Menge von rost- und säurebeständigen Stählen. ;)
 
Du hast weiter oben behauptet, dass einige Kaltarbeitstähle ausschließlich zur Erhöhung der Korrosions- und Warmfestigkeit mit zweistelligen Prozentanteilen legiert seien.

Halte ich für eine rein provokative Behauptung wider besseres Wissen, die Du auch belegen müsstest, weil wir schon oft von Herbert, Uli Gerfin oder Roman lesen konnten, dass sie definitiv auch verschleißfester und schnitthaltiger sind. Der Stahlschlüssel als "neutrale Instanz" nennt mehr als nur diese zwei PRO-Eigenschaften, daher dürfte, nein müsste deine These hinfällig sein. Rostträge und "rostfrei" sind auch noch zwei verschiedene Dinge. Chrom reduziert auch schon im einstelligen Prozentbereich die Korrosionsanfälligkeit.

Die weiteren Eigenschaften in der Reihe lt. Stahlschlüssel, sollte lediglich den Chrom weg von deiner behaupteten reinen Korrosionsfestigkeit differenzieren, was *eigentlich* in deinem Sinne in Richtung verschleißfester sein sollte. Weil nur wenige Kaltarbeitsstähle "etwa zweistellig" mit Cr legiert sind würde ich mich deiner Behauptung entgegenstellen und behaupten, Korrosionsfestigkeit kommt zuletzt, die anderen Eigenschaften sind wichtiger.

ich warte auch noch auf denjenigen, der behauptet, dass ein C80 unter schlechter Härteannahme leidet, weil zu wenig Chrom drin ist.
:glgl:
Dann darfst aber wirklich nicht mit sowas kommen, was Du exklusiv für Dich so siehst:
Es bleibt aber dabei, der einzige Grund, einen rostträgen Stahl zu nehmen, bleibt eben die Korrosionsbeständigkeit und nichts anderes.
- denn dann dürften die Unmengen an Handmessern aus solchen Stählen also gar nicht schneiden können, wenn es keinen anderen Grund gäbe !?
Das wäre dann wider besseres Wissen (m)ein Umkehrschluß aus deiner Feststellung :cool:

Gruß Andreas
 
Du hast weiter oben behauptet, dass einige Kaltarbeitstähle ausschließlich zur Erhöhung der Korrosions- und Warmfestigkeit mit zweistelligen Prozentanteilen legiert seien.

Jetzt musste ich doch tatsächlich noch mal nachgucken, ob ich wirklich was von Warmfestigkeit bei Kaltarbeitsstählen geschrieben habe. :staun:

Wie gesagt, wenn Chrom so ein tolles Legierungselement wäre, um die Schneidleisung für unsere Zwecke zu steigern, warum wird das dann in der Industrie fast nur bei Stählen verwendet, die korrosionsbeständig oder warmfest sein müssen?

Puh, grade noch mal Glück gehabt. :irre:

Dass das insofern missverständlich war, dass ich Chromgehalte meinte, die einen Stahl in den Bereich der Rostträgheit bringen, habe ich oben schon erwähnt, ich sage es aber gerne noch mal.

Halte ich für eine rein provokative Behauptung wider besseres Wissen, die Du auch belegen müsstest, weil wir schon oft von Herbert, Uli Gerfin oder Roman lesen konnten, dass sie definitiv auch verschleißfester und schnitthaltiger sind.

Verschleißfester und schneidhaltiger als was und bei welchem Einsatzbereich? Das wird hier zuerst mal immer implizit auf den "sägenden Zugschnitt" reduziert, weil sonst die Diskussion schon zu Ende wäre, bevor sie richtig angefangen hat. Wie viel das mit dem universellen Einsatz eines Messers zu tun hat, wäre auch eine interessante Frage, aber lassen wir die hier mal weg und beschränken uns ausschließlich auf den einen Einsatzbereich, wo die rostträgen Klingen vielleicht was reißen (sic :steirer:) können, den Zugschnitt von verschleißendem Material bei rel. grobem Schneidenwinkel.

Und hier ist jetzt die Frage, ob 14% Chrom eine gute Idee sind, um eine optimale Schneidhaltigkeit zu erreichen, oder ob man nicht vielleicht andere Legierungselemente bevorzugen würde. Um nichts anderes geht es mir, eine neutrale Betrachtung der verschiedenen Legierungen, zunächst unter völliger Vernachlässigung der Korrosionsbeständigkeit, und dann gucken, ob "zufällig" ein rostträger Stahl die Nase vorne hat, weil das viele Chrom auch noch andere Effekte hat als die Rostträgheit.

Nochmal der Blick in Romans Buch, der HS 6 5 3: Bei Verschleißbeständigkeit und Zugschneidhaltigkeit nahezu gleichauf mit dem 440v, bei allen anderen Eigenschaften bis auf die Korrosionsbeständigkeit weit bis himmelweit überlegen. Zugegeben, der 440V scheint immer noch eine Idee verschleissfester zu sein. Das könnte aber eher was damit zu tun haben, dass ein ganzer Prozentpunkt C mehr drin ist, der wahrscheinlich mit dem V als sehr aggressivem Karbidbildner eine menge hochverschleißfester Karbide ergibt.

Weil nur wenige Kaltarbeitsstähle "etwa zweistellig" mit Cr legiert sind würde ich mich deiner Behauptung entgegenstellen und behaupten, Korrosionsfestigkeit kommt zuletzt, die anderen Eigenschaften sind wichtiger.

Nochmal, Chrom in geringeren Anteilen hat auch andere Auswirkungen als Korrosionsbeständigkeit, auch die Wälzlagerstähle haben alle einen Spritzer Chrom drin. Das sind aber alles Gehalte, die von Korrosionsbeständigkeit weit weg sind. Unterstreicht aber doch alles die These, dass man die über 14% Chrom nur dann verwendet, wenn es auf Korrosionsbeständigkeit ankommt.

Man muss sich das am Ende noch mal vor Augen halten: Die Ausgangsthese war "Es gibt Nichts was rostende Stähle im Verglech mit modernen Rostfreien/Edelstähle-wie-auch-immer man sie nennt Stählen als Vorteile haben." Inzwischen mussten wir das Anwendungsgebiet schon auf einen Spezialfall der Messeranwendung (Zugschnitt mit grobem Schneidenwinkel bei stark verschleissendem, aber ansonsten eher weichem Schnittgut) eingrenzen, um überhaupt noch was zu finden, wo die rostträgen nicht deutlich schlechter sind. Und das einzige Argument, das kommt, ist die Verschleißfestigkeit, die angeblich durch das viele Chrom ermöglicht wird. Richtig gemein wäre es jetzt natürlich, drauf hinzuweisen, dass nur das in der Matrix gelöste Chrom überhaupt zur Rostträgheit beiträgt, also gar nicht als verschleißhemmender Karbidbildner zur Verfügung steht. Was also tut dieses Chrom da in diesen Mengen, wenn nicht in allererster Linie die Rostträgheit gewährleisten? :ahaa:
 
Nun sind wir bei ca. 140 Beiträgen, der Ton verschärft sich und von einem für alle hinehmbaren Ergebnis sind wir weiter entfernt als je.

Dabei heißt es in einem Beitrag so schön: "Physik ist nicht verhandelbar".

Ich will noch einmal einige physikalische Gesetzmäßigkeiten auflisten und daraus mögliche Antworten auf die hier gestellte Ausgangsfrage aufzeigen:

I. Allgemeine Grundlagen

1. Der C-Gehalt:

Die Struktur des Stahls wird in erster Linie von dem Kohlenstoffgehalt bestimmt.
Stähle, die in weichgeglühtem Zustand aus Perlit-Ferritgemisch bestehen und in gehärtetem Zustand keine Karbide aufweisen, nennt man untereutektoidisch.
Bei unlegiertem Stählen liegt der eutektoidische Punkt bei ca 0,78 % C, bei legierten liegt er niedriger, da sämtliche Legierungselemente im Sinne der Erhöhung des C-Gehalts wirken-Ausnahme: Kobalt.

Da die Härte des Stahls ganz überwiegend von der Verspannung des Gefüges durch das "eingesperrte"C-Atom beruht, erreichen diese Stähle schon bei ca. 0,6 % C eine Ansprunghärte von ca. 65 HRC.

Bei höherem C-Gehalt bleiben auch nach dem Härten mehr oder weniger viele Karbide übrig, die die Verschleißfestigkeit steigern und die Stabilität noch nicht wesentlich schwächen, da sie selbst sehr klein sind und gleichmäßig fein verteilt gehalten werden können.

Bei noch höherem C-Gehalt scheiden sich schon in der Schmelze Karbide aus, die durch Wärmebehandlungen allein nicht mehr verfeinert werden können.

2. Die Legierungselemente

Sämtliche Legierungselemente wirken im Sinne der Erhöhung des C-Gehalts-Ausnahme -siehe oben.
Einige Legierungselemente bilden mit dem Eisenkarbid Fe3 C Mischkarbide oder auch Sonderkarbide.
Einzelheiten dazu kann man bei Interesse bei Rapatz nachlesen.
Hier nur soviel: Diese Mischkarbide und erst recht die Sonderkarbide sind härter als das reine Eisenkarbid. Das geht hin bis zum Vanadiumkarbid mit knapp 3000 HV.

Die Karbide können beim Erhitzen das Kornwachstum bremsen, wirken also Grobkorn entgegen-wenn man es mit der Hitze nicht übertreibt.

Sonderkarbide können allerdings auch sehr stabil sein, sich also erst bei sehr hohen Temperaturen lösen. Das kann so weit gehen, daß diese Karbide bei den richtigen Härtetemperaturen überhaupt nicht mehr gelöst werden können, für die Härtung also nicht zur Verfügung stehen.
Das kann man sich auch bewußt zunutze machen, indem man die Legierung insgesamt so wählt, daß auch nach Abzug der stabilen Karbide genug C für die Härtung zur Verfügung steht.
Ein Beispiel ist der in einem andern Beitrag auch schon angesprochene Stahl CPM 10 V. Er ist auf der Basis des A 2 oder 1.2363 aufgebaut und man hat zur Erhöhung der Verschleißfestigkeit 10 % Vanadium zugefügt.
1 % Vanadium bindet ungefähr 0,16 % C in dem sehr stabilen und äußerst harten Vanadiumkarbid VC. Ohne Erhöhung des C-Gehalts im 1.2363 wäre der Stahl mit 10 % Vanadium nicht mehr härtbar, da der Kohlenstoff ganz und gar in dem VC enthalten wäre.

Das bedeutet, daß Stähle mit höherem Karbidgehalt, insbesondere mit Sonderkarbiden von höheren Temperaturen gehärtet werden müssen als karbidfreie oder solche mit einfachem Eisenkarbid.

Das hat allerdings auch die Auswirkung, daß durch die höhere Härtetemperatur mehr Restaustenit entsteht, die Ansprunghärte also niedriger ist als bei unlegierten oder leicht legierten Stählen.

Umgekehrt sind die Stähle mit Misch- und Sonderkarbiden aber auch wieder anlaßbeständiger, sodaß durch höheres Anlassen und dadurch besseren Spannungsabbau in der Matrix ein gewisser Zähigkeitsgewinn möglich ist.

3. Die Karbide
a) Größe

Bei Stählen unterhalb der Ledeburite können die Karbide durch richtige Wärmebehandung verfeinert werden: Man kann sie durchaus in einer Größenordnung von unter 1 my halten.
Ledeburitstähle haben teilweise Karbide von 50 my und mehr.
Bei PM-Stählen kann man die Karbide in der Größenordnung von 3-5 my halten.
Damit ich nicht-bewußt oder unbewußt- falsch verstanden werde: die neben den Primärkarbiden vorliegenden Karbide können auch bei diesen Stählen unter dem Schmelzpunkt gelöst und damit verfeinert werden.

b) Menge

Aus dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm kann man ablesen, welche Karbidmenge dem C-Gehalt in weichgeglühtem und gehärtetem Zustand entspricht.
Bei legierten Stählen erhöht sich die Karbidmenge, da die Legierungselemente im Sinne einer Erhöhung des C- Gehalts wirken.

c) Auswirkungen der Karbide

Sie wirken in mehrfacher Hinsicht:

1. Bei genügender Einbettung in der Matrix wirken sie durch ihre größere Härte verschleißmindernd.
2. Die Bindung der Karbide in der Matrix ist schwächer als der Zusammenhalt in der Matrix selbst.
Sie wirken also immer im Sinne einer Schwächung.
Das ist bei kleinen, gut verteilten Karbidchen kein Problem, bei einer Vielzahl grober und gröbster Karbide ist die Verminderung der mechanischen Eigenschaften erheblich.

II. Chrom im Stahl

Natürlich sollte man dazu in einem der vorzüglichen Werke der Stahlliteratur nachlesen.
Hier deshalb nur in Kürzestfassung:

1. Chrom erhöht die Härtbarkeit.
Das ist für uns wider Erwarten uninteresant, da mit Härtbarkeit nicht die Ansprunghärte, sondern die Durchhärtbarkeit gemeint ist. Durch Zulegieren von Chrom kann also ein größerer Querschnitt durchgehärtet werden oder durch mildere Abschreckung gleichwohl die volle Härte erreicht werden. Hoch chromhaltige Stähle können daher meist schon in Luft gehärtet werden.

2. Chrom wirkt schon beim Erschmelzen und auch später im Sinne einer Kornfeinung. Das ist richtig und wichtig-bevor man sich den rostfreien Qualitäten zuwandte, galt ein Stahl ähnlich 1.2206 als Spitzenstahl für Rasiermesser.

3. Chrom bildet mit Eisen, Wolfram, Molybdän und Kohlenstoff harte Mischkarbide, die die Verschleißfestigkeit deutlich erhöhen-So ist es , da beißt die Maus keinen Faden ab.

4. Chrom ist das entscheidende Element für die Bildung der Korrosionsbeständigkeit.
Vielfach erörtert: ab 12 % Chrom in der Grundmasse ist ein Stahl relativ korrosionsbeständig. Weichgeglühte martensitische Chromstähle enthalten noch etwa 9 % Chrom in der Grundmasse und rosten munter vor sich hin.

III. Schlußfolgerungen für Messerklingen

1. Die Korrosionsbeständigen Qualitäten sind unproblematisch in der Pflege.
Das sollte man nicht unterschätzen.
Gerade die feinsten Schneiden rostender Stähle sind empfindlich. Die Besitzer und Benutzer rostender Rasiermesser lassen die nicht offen liegen, sondern schlagen sie in Ölpapier ein-sollten sie jedenfalls.

2. Die Stabilität einer Klinge sollte unter zwei Gesichtspunkten betrachtet werden:
a) Makrostabilität= Sicherheit gegen Bruch der gesamten Klinge.
Da Stahl ein phantastischer Werkstoff ist, der viel verzeiht, liegt hier kein wirkliches Problem, solange man den gesunden Menschenverstand walten läßt. Daß Ledeburitstähle nicht für Schwerter, Degen, Macheten und Äxte geeignet sind, sollte eine Selbstverständlichkeit sein.

b) Mikrostabilität
Hier wird es problematischer.
Ein Übermaß an Karbiden, selbst wenn sie fein und gut verteilt wären, würde die Stabilität im my-Bereich negativ beeinflussen. Für grobe Karbide gilt dies umso mehr.

3.
Richtlinien für die Praxis

Anforderung:
a) Derbe Schneide, Verschleißfestigkeit-Am geeignetsten sind Ledeburitstähle, daneben auch noch höher legierte übereutektoidische Stähle mit Sonderkarbiden-etwa 1.2562.
Von den rostfreien Stählen würden 1.4112, 1.4125. 1. 4111, 1.4528 und die rostfreien PM-Stähle in diese Kategorie fallen. Stähle, die das Ledeburitgebiet nur gerade so streifen, also nur wenige Primärkarbide enthalten, eignen sich auch für feinere Schneiden, ebenso die PM-Stähle.1.4111 wurde bei uns für besonders verschleißfeste Rasiermesser entwickelt !!.
Da die Verschleißfestigkeit aber nicht allein von den Karbiden, sondern auch von der Härte und Zähigkeit der Grundmasse abhängt, sind die rostfreien Qualitäten den ledeburitischen Werkzeugstählen-etwa den Schnellarbeitsstählen- unterlegen. Die PM-Qualitäten verkleinern diese Lücke, wegen der Überzahl der Karbide ereichen sie die Festigkeit der Schnellarbeitsstähle aber nicht ganz.

b) Allround-Eignung:
Ledeburite nur bei vorsichtigem, sachgemäßem Gebrauch. Besser sind Stähle um das Eutektikum herum-da ist die Auswahl fast unbegrenzt.

c) Grobe und Schockbeanspruchung:
Alles untereutektoidische bis eutektoidische- die Auswahl ist unbegrenzt.

d) feinste Schneiden im Bereich von 1 my und darunter:
Unlegierte oder leicht legierte Stähle um das Eutektikum-bei rostenden Stählen ist auch hier die Auswahl groß, bei den rostfreien verengt sie sich auf die nicht ledeburitischen.
Die Lektüre von Verhoeven zu der richtigen Legierung rostbeständiger Stähle zeigt, daß das "Fenster" gar nicht so groß ist, weil bei zuviel C sogar Härteverluste in Kauf zu nehmen sind-wegen des Restaustenits- und bei zuviel Chrom übergroße Karbide die Schärfbarkeit und Schneidfähigkeit einschränken.

Das zeigt sich auch an den modernen Edelausführungen rostfreier Stähle:
Es fällt doch auf, daß AUS 6, AUS 8, 12 C 27, 13 C 26, 420 mod und wie sie alle heißen, sich von den Grundstählen 1.4034 und 1.4116 nur leicht-man möchte sagen marginal- unterscheiden.

Diese Ausführungen sind gedacht, um zum eignen Denken über Fakten anzuregen.

Die Äußerung: Rostfreie Stähle können alles, was rostende auch können, war sicher nicht in dieser Ausschließlichkeit gemeint-Sie wird schon durch die einfachste Betrachtung der Realität widerlegt.

Beispiele gefällig ?:

Rostfreie Meißel oder Preßluftwerkzeuge ? -Nein- bei der erforderlichen Härte nicht bruchsicher genug.
Rostfreie Handsägen- nein- die Zahnspitzen wären nicht ausreichend fest und zäh.
Bei rostfreien Maschinensägen würde das verstärkt gelten.
Rostfreie Hobelmesser und Beitel- mittlere Qualität wäre sicher machbar, für feine Werkzeuge fehlt es an der Härte und Schärfbarkeit.
Rostfreie Gravierstichel- nein- da sind 1.2562 und 1.2516 um Längen besser, weil nicht nur härter, sondern auch stabiler.
Rostfreie Feilen- nein- Es fehlt an der Härte und der Stabilität der Zahnspitzen.
Rostfreie Drehmeißel- Fehlanzeige-es fehlt an der Härte und Warmfestigkeit.

Wenn gemeint war: Rostfreie Messerstähle können alles, was rostende auch können, so kann man darüber reden-es gibt kleine Abstriche, in der Praxis würde das der Liebhaber merken, der Laie nicht.
Aus rostfreien Stählen kann man gute Rasier- und Kochmesser machen-ein bißchen besser geht es aber schon noch. Aus rostfreien Stählen könnte man auch Säbelklingen machen-ja, aber wohler würde ich mich mit einem reinen C.-Stahl fühlen.
Zum Schmunzeln: Ich habe mal Bogenwurfarme aus 1.4034 gemacht, die sogar eine Weile gehalten haben, dann aber mit einem Donnerschlag gebrochen sind. Gott sei Dank, daß dabei niemand vor mir stand-gut-darauf hatte ich schon geachtet.

Kann man mit der Vielzahl guter und besserer Möglichkeiten nicht leben ?-
Argumente wie: "Der Größte hat aber doch d e n Stahl verwendet" oder " Wir sind doch technisch heute viel weiter als früher" finde ich ...-lassen wir das.
Das klingt für mich so wie der Schluß: " Die Amerikaner sind zum Mond geflogen, deshalb backen sie auch besseres Brot und brauen besseres Bier als die Europäer"

Nichts für ungut

U. Gerfin
 
Amen! Habe ich richtig verstanden, dass ein Rostfreier PM-Stahl für ein Gebrauchsmesser in der Praxis genau so gute Ergebnisse erzielt wie ein herkömmlicher, rostender?
 
Ok, das der unlegierte Stahl schärfer ist habe ich begriffen. Aber wieviel der Klingen sind auf dieses Level geschärft?
Also wenn ich schon die Nachteile des rostenden in Kauf nehme, dann sollte das Messer an das Limit scharf sein. "Ich könnte wenn ich wollte" reicht mir nicht. Und da liegt für mich irgendwie der Hund begraben, mit den Geometrien die meine Messer haben, kann der unlegierte sein Potential vermutlich nicht ausspielen, bzw. schärfe beider Sorten sind gleich.
Ich gehe mal davon aus das die meisten ihre Klingen nicht auf einen tausendstel auschleifen, bzw. ausschleifen können.

Und, ich mache keine Meissel für Presslufthammer, auch keine Feilen, sondern Messer.

Aber ich würde sehr gerne mal so ein scharfes Messer in der Hand halten und erleben dürfen, keins meiner Messer ist vermutlich so scharf, auch nicht die rostenden von Namhaften machern...

Gruess René
 
@Feldmaus
Bitte auch an die stabilität der Schneide denken. Wie oft ließt man von Ausbrüchen an rostfreien Messern.;)
Wenn rostfreier Stahl für Dich und Deine Kunden die richtige Wahl ist dann nimm ihn. Ich verarbeite beides.

Der Großteil meiner Kunden kommt aus der Outdoor/Bushcraft/Survival-Ecke. Da muß ich damit rechnen das die Jungs nicht gerade zimperlich mit einem Messer umgehen und das Messer auch mal als lebenswichtiges Werkzeug bei Trips abseits der Zivilisation mitgeführen. Da juckt es nicht wenn die Klinge ein bißchen anläuft , da muß die Schneide so stabil wie möglich sein und es darf nichts ausbrechen.
Würde ich ein Messer zum Angeln am Meer bauen wäre es rostfrei , bei einem Haumesser käme nur C-Stahl in Frage. Es gibt sogar Situationen wo ich zu D2 greifen würde.
Ich verstehe nicht warum sich viele auf rostfrei oder rostend festlegen wenn es doch so viele verschiedene Anwendungszwecke und Stahlsorten gibt;)
 
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