Oberflächen von Wetzstählen und deren Einfluss auf die Wirksamkeit beim Wetzen

ebenezer

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Dieser Beitrag entstand aus der HIER verlinkten Diskussion, deren Weiterführung mir im Originalthread nicht sinnvoll erscheint.

Ich habe meine Messer jahrelang mit einem Wetzstahl Eicker Micro Feinzug scharf gehalten und war eigentlich ganz zufrieden damit.
Habe ihn damals gekauft, weil er als preisgünstigere Alternative zu den Dickorons empfohlen wurde, und ich selbst habe ihn auch regelmäßig entsprechend empfohlen.
Nachdem ich mir nun auch den Dickoron Micro gekauft habe, kann ich fundierter vergleichen.

Der rein optische Vergleich der Oberflächen von Eicker Micro Feinzug und Dickoron Micro legt jedoch schon nahe, dass sich die Eigenschaften beider Stähle wohl erheblich unterscheiden müssten,
wobei man beim Eicker aufgrund der optischen Grobheit der Züge einen schnelleren, gröberen Abtrag mit weniger feiner Schneide erwarten würde.

Hier nochmal das von @güNef eingestellte Bild der beiden Oberflächen. Oben Dick, unten Eicker.

Dick-Eicker.jpg


Nachdem ich nun beide Stähle eine zeitlang vergleichend benutzt habe, stellte ich fest, dass die ersten optischen Eindrücke nur unzureichende Schlüsse auf die Wirkung der Schleifstähle zulassen.

Der Dick benötigt erheblich weniger Züge zur Wiederherstellung einer schönen Schärfe, als der Eicker.
Was die Feinheit der erzeugten Schärfe angeht, so sehe ich den Dick ebenfalls leicht vorn, aber der Unterschied ist eher unerheblich.

Das wollte ich verstehen, und deshalb habe ich die Züge beider Stähle, und auch die eines Standardzug Stahls mal durch ein Taschenmikroskop genauer betrachtet.
Dabei ist mir aufgefallen, dass die Züge des Eicker eine weich gerundete Oberfläche mit einer gewissen, in der Vergrößerung sichtbaren Oberflächenrauigkeit aufweisen.
Die Züge des Dick Micro sind fein aber scharfkantig, die Rauheit der Oberfläche ist feiner.
Beim Standardzugstahl (NoName) waren die Züge scharkantig, und sowohl die Kanten, als auch die Oberfläche waren sehr rauh.

Mein Gedankenmodell zur Wirkweise der Wetzstähle ist folgendes:
Jeder Wetzstahl wirkt durch eine anteilig unterschiedliche Kombination aus Wirkkanten und Wirkflächen.
Wirkkanten agieren grundsätzlich abrasiver und damit schneller, als Wirkflächen. Dabei hängt ihre Wirksamkeit und Auswirkung auf die Feinheit der erzeugten Schärfe natürlich zusätzlich von Feinheit , Winkel und Geschlossenheit der Kante ab.
Die Wirkflächen wirken weitaus weniger abrasiv. Je nach Rauhigkeit bis hin zu eher adhäsivem Verschleiß.

Wirkungsweise_Wetzstahl.JPG


Der optisch grob wirkende Eicker hat bei genauer Betrachtung nur Wirkflächen, keine Kanten entsprechend der unteren Prinzipdarstellung.
Dadurch ist er langsam, aber auch schonender, als er aussieht.
Dass die erzeugte Schärfe letztendlich einen Hauch weniger fein ist, als beim Dick Micro, liegt an der etwas ausgeprägteren Rauigkeit der Wirkflächen.

Mein Fazit zur optischen Einschätzung der Züge von Wetzstählen:
Ein erster Augenschein reicht für eine zuverlässige Prognose nicht aus. Mittels eines Taschenmikroskops ist aber bei Kenntnis der Zusammenhänge eine recht gute Einschätzung zu Arbeitsgeschwindigkeit und Feinheit der erzielbaren Schärfe möglich.

Mein Fazit zum Eicker Micro Feinzug als Alternative zum Dick Micro:
Wer die 20€ mehr für den Dick möglich machen kann, sollte diesen unbedingt wählen.
Alleine das Mehr an Arbeitsgeschwindigkeit rechtfertigt das schon.
Der Eicker erzeugt bei erheblich mehr Zeitaufwand aber durchaus eine Schärfe, die nur unwesentlich schlechter ist.
Ungeeignet ist der Eicker aus meiner Sicht für das Vorhaben, eine relativ weit verschlissene Schneide wieder zu beleben.
Dazu ist er zu wenig abrasiv.
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus,

Ungeeignet ist der Eicker aus meiner Sicht für das Vorhaben, eine relativ weit verschlissene Schneide wieder zu beleben.

das ist jetzt eine spannende Erkenntnis, da mit freiem Auge der gröbere Zug eine vermeintlich besser Wirkung an ziemlich stumpfen Schneiden suggeriert, und der sehr feine Zug seine Stärken an konsequent gepflegten Schneiden ausspielen kann.

Das ist gegen die übliche Annahme. Da kommen jetzt Faktoren am Aufbau einer Stahloberfläche ins Rampenlicht, die ich so nie berücksichtigt habe. Man muss wirklich tief Blicken um zu verstehen. 😉

Gruß, güNef
 
Das ist gegen die übliche Annahme. Da kommen jetzt Faktoren am Aufbau einer Stahloberfläche ins Rampenlicht, die ich so nie berücksichtigt habe. Man muss wirklich tief Blicken um zu verstehen. 😉
Im wahren Leben konnte diese Annahme ja deshalb entstehen, weil in den allermeisten Fällen tatsächlich der optisch grobe Zug auch mit einer entsprechend groben Ausformung von Wirkkanten und Flächen zusammen trifft.
Erst wenn man dann mal auf einen Stahl trifft, dessen Verhalten nicht in dieses Schema passt, kommt man ins Grübeln und sieht sich veranlasst, tiefer zu blicken.
Mir jedenfalls geht es so.
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf den ersten Blick ein Widerspruch vorzuliegen. Ich bin bislang auch davon ausgegangen, dass ein optisch (deutlich) gröberer Zug mehr Abtrag und ein entsprechend gröberes Schliffbild erzeugt.
Die von Dir skizzierten Überlegungen hören sich plausibel an. Bislang dachte ich, grober Zug = schneller Abtrag. Pustekuchen. Selig sind die, die mit einem 5€ Messer und irgendeinem Billigschärfer zufrieden sind. ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Servus.

ebenezer@

Wenn ich über deine Entdeckung so nachdenke, dann muss der Hersteller sich ja was dabei denken "Wirkflächen & Wirkkanten" ( sind das deine Wortschöpfungen, bezogen auf einen Wetzstahl oder beschreibt und bewirbt ein Hersteller mit diesen Begriffen? Ich finde sie auf jeden Fall passend ) auf eine ultraharte Oberfläche aufzubringen und einen Zweck damit verfolgen? Wenn das richtig gut abgestimmt ist, dann kann man ja sehr exakt die Wirkung eines Wetzstahles justieren. Hast du da recherchiert und gibt es von renommierten Herstellern Angaben zu der "Geometrie" der Züge. Ich finde das gerade sehr interessant.

Ich bin ziemlich sicher, das die weit verbreitete Meinung, grober Zug für "abgenudelt-grobe" Schneiden, feiner Zug für feine Schneiden fest etabliert ist.

Gruß, güNef
 
"Wirkflächen & Wirkkanten" ( sind das deine Wortschöpfungen, bezogen auf einen Wetzstahl oder beschreibt und bewirbt ein Hersteller mit diesen Begriffen?
Das sind tatsächlich meine Wortschöpfungen beim Versuch das auszudrücken, was ich glaube als physikalische Zusammenhänge erkannt zu haben.
Ich kenne keinen Hersteller von Wetzstählen, der die Geometrie seiner Züge im Detail erklärt und damit wirbt.
Wenn man alleine im Hause Dick betrachtet, welche Vielfalt an Zügen da unterwegs ist.....
Absolut verwirrend, und ich habe den Eindruck, es wird teilweise auch gezielt so gemacht, um eine Vergleichbarkeit zwischen den preiswerteren Serien und der Top-Serie zu verhindern.
Da wird allenfalls innerhalb einer Serie von grob nach fein eine Reihe aufgemacht. Quervergleiche unerwünscht.
Ich bin mir auch nicht sicher, ob da nicht mehr Versuch und Irrtum im Spiel ist, als gezielte Erzeugung bestimmter Eigenschaften...
Ich arbeite selbst in der Entwicklung und kann sagen, bei der gezielten Entwicklung bestimmter Eigenschaften ist oft viel weniger theoretischer Hintergrund vorhanden, als man als Laie allgemein denkt.
Die Zahl der Leute, die bei der Arbeit freiwillig mehr denkt, als unbedingt erforderlich, ist doch kleiner, als wünschenswert wäre.
 
Hm, vielleicht mal eine total abgenudelte Schneide herstellen an einem Billigmesser, und dann unters Mikroskop nach Bearbeitung mit beiden, danach eine noch gute Schneide ebenfalls. Sollte einiges an Erkenntnis liefern.

Ich finde die Wortschöpfungen Wirkflächen und Wirkkanten gut. So kommt man weiter.
Und was ist mit blankpolierten Stäben?
 
Was man zusätzlich bedenken muss: Die einzelnen Züge (also im Verlauf vom Griff hinunter zur Spitze des Wetzstahls) sind nicht glatt, sondern haben ebenfalls eine mehr oder weniger „raue“ Oberfläche.
 
Sollten die Wetzstähle rund sein, scheitert die These der Wirkkanten und Wirkflächen an der Geometrie der Kontaktfläche während des Wetzens.

IMHO liegt eher die Vermutung nahe, dass bei den üblichen Durchmessern von Wetzstählen eine sehr feine Oberflächenrauigkeit vorliegen muss damit diese auch gut wirken kann. Wird die Oberflächenrauigkeit zu grob für den Durchmesser des Wetzstahls, dann greift diese nicht mehr und der Stahl geht stärker ins reine Gleiten über.

Gruß
El
 
Sollten die Wetzstähle rund sein, scheitert die These der Wirkkanten und Wirkflächen an der Geometrie der Kontaktfläche während des Wetzens.
Egal, ob rund oder oval, flach oder gewölbt. Beim Ziehen einer Schneide über den Stahl hat diese immer Kontakt mit entweder einer Fläche oder einer Kante.
Eine Krümmung bewirkt allenfalls eine Verkleinerung der momentan wirksamen Kontaktfläche.

Und was ist mit blankpolierten Stäben?
Die haben eben nur eine Wirkfläche, die auf Basis der dort existierenden (sehr geringen) Oberflächenrauigkeit oder durch adhäsiven Verschleiß die Schneide bearbeitet.
 
Hier ein interessantes Video zur Herstellung des Güde-Wetzstahls:


Wie man sieht, werden zunächst die Züge eingeschliffen und zum Schluss der Stab noch hartverchromt. Unter starker Vergrößerung erkennt man die Beschichtung auf den Zügen (Bilder folgen).
Ich vermute, dass diese ebenfalls eine abrasive Wirkung hat.
 
Interessantes Video. Ich habe mich schon immer gefragt, wie die Züge erzeugt werden. Die werden nicht eingeschliffen, sondern mit einer Stoßmaschine und entsprechend strukturierten Werkzeugen in die Oberfläche eingeschabt. Die Geometrie der Schneidwerkzeuge erzeugt dabei als Gegenstück die Grundgeometrie der Züge.
Man kann sich gut vorstellen, dass beim Einschaben grober Züge die Oberfläche des Stahls durch den gröberen Materialabtrag stärker aufgerissen wird, als beim Einarbeiten sehr feiner Züge.
Aus diesem Zusammenhang resultiert dann auch die Faustregel Grobe Züge -- gröberer Abtrag an der Schneide des Messers, feine Züge--- geringer Abtrag.
Wesentlich für die finale Ausprägung der Wirkflächen und Wirkkanten scheint mir aber hier der Schritt des Sandstrahlens. Durch die Wahl des Strahlgutes und der Strahlgeschwindigkeit kann man hierbei sehr gut die Oberflächenrauigkeit der Flächen und die Schärfe der Kanten beeinflussen.
Ich könnte mir zB. vorstellen, dass ein Dick Micro gar nicht sandgestrahlt wird, weil der Sand die ultrafeinen Schneidkanten sofort zerstören würde.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier die Bilder. Ich denke, wir müssen zumindest einige Aspekte der Wirkungsweise eines Wetzstahls überdenken.

Im Nachbarforum gab es vor einiger Zeit eine hitzige Diskussion darüber, ob man hoch gehärtete Stähle mit einem Dick Micro scharfhalten könne. Vor kurzem sagte mir Ben, dass er Apex Ultra (67 HRC) ebenfalls mit dem Dick Micro wetzte.

Aufgrund der Bilder unten könnte man schließen, dass die Oberfläche und Struktur der einzeln Züge eine größere Bedeutung haben könnte, die man bisher so gar nicht auf dem Schirm hatte: eine Kombination aus Ritzen, Sandstrahlen und Chrom-Beschichten. Fährt man mit einer Schneide darüber, wäre die Vertiefung der Züge vielleicht gar nicht so entscheidend.

Eicker

Eicker2_oben.jpeg


Dick Saphir

Saphir2_oben.jpeg



Dick Micro

Micro2_schräg.jpeg
 
Interessant finde beim Dick Micro auch den Verlauf der Züge. Schräg zur Längsachse und auch nicht alle parallel. Die werden denke ich in einem anderen Verfahren aufgebracht.
Vermutlich geht so eine Stoßmaschine für so feine Züge einfach zu kräftig zu Werke.
 
Ich denke, wir müssen zumindest einige Aspekte der Wirkungsweise eines Wetzstahls überdenken.
Es liegen adhäsiver und abrasiver Verschleiß gleichzeitig vor. In welchem Verhältnis hängt sicherlich auch vom Zustand des Wetzstabes und ganz besonders vom Druck ab, der aufgrund der kleinen Kontaktfläche zwischen Stab und Messer enorm werden und dank der üblicherweise manuellen Führung des Stabes enorm schwanken kann. Das macht das ganze sehr komplex und unmöglich, das Schleifergebnis und -erlebnis vom Betrachten der Züge allein vorherzusagen.
Vor kurzem sagte mir Ben, dass er Apex Ultra (67 HRC) ebenfalls mit dem Dick Micro wetzte.
Hier wetzt Max von Stroppy Stuff S390 mit 67 HRc. Geht also nicht nur mit sehr harten Stählen, sondern solchen, die gleichzeitig auch noch jede Menge fetter, sehr harter Carbide haben.
 
Servus,

der Faden schmeißt ja einige altbekannte Regeln über den Haufen. 67 HRC hab ich noch nicht gewetzt, aber wenn Ben das macht und sagt es klappt, werde ich das auch mal testen, wenn die erste Auffrischung ansteht. 😉

Gruß, güNef
 
Servus,

der Faden schmeißt ja einige altbekannte Regeln über den Haufen. 67 HRC hab ich noch nicht gewetzt, aber wenn Ben das macht und sagt es klappt, werde ich das auch mal testen, wenn die erste Auffrischung ansteht. 😉

Gruß, güNef

Denke doch, das hat schon mit dem konkreten Stahl und dessen Wärmebehandlung zu tun.

Bei Klappern mit PM Stahl über 60 HRC bekomme ich mit dem Sieger schon ein brauchbares Ergebniss, bei Kai VG10 sieht es hingegen im Vergleich übel aus..

grüsse, pebe
 
der Faden schmeißt ja einige altbekannte Regeln über den Haufen. 67 HRC hab ich noch nicht gewetzt, aber wenn Ben das macht und sagt es klappt, werde ich das auch mal testen, wenn die erste Auffrischung ansteht.
Auch, wenn das Messer es ggf. verträgt, und Schärfe annimmt, ohne Ausbrüche zu zeigen, so kommen sich da die Oberflächenhärten von Messer und Hartchrom schon so gefährlich nahe, dass der Wetzstahl voraussichtlich recht schnell verschleißen wird. Im Endeffekt also für regelmäßigen Einsatz eine sehr teure Art, das Messer Scharf zu halten.
 
Geht also nicht nur mit sehr harten Stählen, sondern solchen, die gleichzeitig auch noch jede Menge fetter, sehr harter Carbide haben.
Wenn die Matrix um die Carbide weich und zäh genug ist, schafft man vielleicht auch eine Mikrosäge, die wieder ganz gut schneidet.
Die Schnittkante am Papier sieht zumindest nicht besonders glatt aus. Für die Küche, insbesondere Tomatenhaut, eigentlich ein ganz gutes Vorgehen.

dass der Wetzstahl voraussichtlich recht schnell verschleißen wird.
Nichts hält ewig ;-) Ich bin aber bei dir und halte meinen Apex Ultra auch lieber mit einem Keramikstab bei Laune. Der verscheißt zwar auch, kostet aber weniger als die Hälfte des Dick Micros.
 
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