Schneidenstärke, wieviel darf es sein?

So, jetzt noch ein praktisches Beispiel. Die oben von mir erwähnte Herderklinge habe ich nochmal auf einer Falllinie vermessen. In der folgenden Grafik habe ich die Dicken und auch die halben Dicken über dem Abstand von der Schneide aufgetragen.
Zunächst habe ich den über die gesamte Klingenbreite gemittelten Schneidenwinkel bestimmt aus der Korrelation alpha = 2 arctan (halbe Dicke/Klingenbreite). Da kommt ein Winkel von 3,86° heraus. Ganz schön schlank. Dann habe ich aus den aufgetragenen Werten eine Geradengleichung bestimmt und daraus den resultierenden Schneidenwinkel berechnet. Hier kommt heraus:alpha = 3,61. Übereinstimmung nicht mal schlecht.
 

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Solche schlanken Winkel sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Es fällt auf, dass sich der Geradenverlauf nicht in die Null begibt. Meßfehler? Fehler bei der Regression? Klar, alles möglich, schließlich ist die Messerei ganz schön fummelig. Aber auch wenn man die nahe an der Schneide gemessenen Werte vernachlässigt, wird es nicht besser. Man könnte vermuten, die Klinge sei entweder noch mit einer sehr kleinen sekundären Fase versehen oder leicht ballig (so hab ich das Teil jedenfalls abgezogen). Wenn man die Werte, die ich bei 0,5 mm Randabstand gemessen habe, zur Winkelbestimmung heranzieht, sieht die Sache schon anders aus.
MIt dem Wert von 0,14 mm für die Dicke kommt ein echter Schneidenwinkel von 16° heraus.

Das ist das, was man erwartet.

Und wenn man sich das Bild weiter oben nochmal ansieht, und dann mal plus minus o,1 mm annimmt, dann kommt man auf Winkel zwischen 13° und 20°.

Dabei hat man das kleine Stück zwischen der echten Schneide und dem Meßort durch eine Gerade, also eine kleine sekundäre Phase, angenähert. Ist die Schneide ballig, so wird die Messerei sehr fragwürdig, da auch die Außenmikrometerschraube eine flache Messfläche hat. Aber so kann man die Realität ganz schön abschätzen.
Nimmt man für die Balligkeit eine Ogive ("gotisches Spitzfenster") an, und ist der Kreisbogen ziemlich flach, dann kommt man der Wirklichkeit richtig nah, die Näherung mit der Geraden ist dann ganz gut, und je besser man den Abstand von der Schneide mißt, und je dünner die Mikrometerschraube oder die Messsonde ist, umso besser (Wir haben jetzt gerade das Vorgehen für eine Klingenbestimmungsmessmethode definiert). Bei dicken Balligkeiten kommt immer ein zu kleiner Schneidwinkel heraus, der aber immer noch besser ist als das Mittel über die gesamte Klingenbreite.

Wenn man also eine Aussage über den Schneidwinkel und die stützende Masse unmittelbar hinter der Schneide haben will, muß man ziemlich in Schneidennähe messen.

So, ich werde noch den kleinen Yatagan vermessen und mein ballig geschliffenes ziemlich dickes F1. Und ich mach das mal für die von mir im MM untersuchten Busse und Cold Steel Klingen, die habe ich ja im Querschnitt, da kann man auf dem Bild gut Winkel messen.
Ich versuche auch mal, eine griffige Darstellung für ballige Anschliffe zu machen, da ändert sich der Schneidenwinkel ja in Abhängigkeit vom Meßort kontinuiertlich.
 
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So, also folgt daraus, dass die vorderste Schneide sehr schlank sein sollte, dass aber genug Material dahinter sitzen muß, damit sie nicht umklappt, und das Messer darf dann nicht zu dick werden, damit die bestimmende Größe für das Schneiden nicht die Spaltkraft durch den Klingenkeil wird, sondern die Eindringfähigkeit durch die feine Schneide.
 
:staun:
Nachdem ja nun sowohl eine schöne Tabelle als auch zahlreiche Diagramme bereits da sind und schon in die Fehlerlehre eingestiegen wird habe ich mir gedacht ich mache noch eine kleine Zeichnung welche die Grundgrößen veranschaulicht.

Geometrie der Schneide


Aus dem Bild gehen die Größen von denen hier die Rede ist hervor.

Wie bereits erwähnt, geht die verwendete Formel von einem pefektem Flachschliff aus.

Weitere Fehlerquellen sind:
- Weiterer Nicht berücksichtigter Anschliff.
- Alle anderen nicht erfaßbaren Verrundungen.
- Abweichungen der Schneide aus der Mitte.


Bitte um Korrektur und Ergänzung (Insbesondere die Terminologie betreffend.). ;)
Gruss
El
 
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Hi, ElDirko,
das mit der Zeichnung ist eine gute Idee. Unter Klingenbreite verstehe ich allerdings die makroskopische Breite der gesamten Messerklinge, unter Klingenhöhe verstehe ich den Randabstand zur Schneide, und die Klingenhöhe habe ich Klingen(voll)dicke genannt. Das ist näher am "normalen" Sprachgebrauch für flache Sachen wie Klingen, denke ich mal.
 
Ich denke nun haben wir eine gemeinsame Sprache gefunden Herbert. ;)

Die Zeichnung ist entsprechend geändert.
Danke für die Hilfe. :)
Gruss
El

PS: Jegliche weitere Verbesserung ist willkommen, ist schnell geändert. :)
 
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Ja das kommt jetzt dorthin worauf ich hinaus will.

Bei all der Theorie und Rechnerrei (Ich persönlich bin eine Mathenull), gilt es nun aus der ganzen Sache die 1-2 Sätze für die grundlegenden Zusammenhänge zu formulieren und die praktische Nützlichkeit des ganzen aufzuzeigen.

Faustformel (1):
Also wenn ich meine Schneidendicke um die Hälfte verringere ändert sich der Schneidenwinkel bei festgeleter Schliffhöhe um x%.

Dies hat eine direkte Auswirkung auf die die Schneidfähigkeit einer Klinge (dabei ist es egal um welchen Werkstoff es sich handelt)>>


Faustformel (2):
Durch die Zuhnahme der Schneidendicke beim Ausschliff verändert sich der Schneidenwinkel um x% und damit die Schneidfähigkeit um y%.

Dies ist die Aussagge die man braucht um einfach urteilen zu können wie sich die Zusammenhänge auswirken.

Darüberhinaus wird natürlich auch die gesamte geometrische Form der Klinge das Schneiden beeinflussen.

So wird ein Herder Yatagan z.B. in eine Meloneschale leichter eindingen und durchtrennen, weil er eine schlanke Klingengeometrie besitzt als beispielsweise ein Busse Combat, das man wahrscheinlich mit dem Hammer durch das stück Melonenschale treiben muss weil die Geometrie so stumpfwinkling ist das die Keilkäfte und damit die vom User aufzuwendende Arbeit, extreme Dimmensionen erreichen.

So und wenn wir nun rausgefunden haben, dass das alles so funktioniert, dann stell ich immer wieder die gleiche Frage was muss ich nun tun um zu echter höherer Schneidleistung zu kommen...(Geometrie, Werkstoff, Wärmebehandlung, Anwenderverhalten, Schneidaufgabe)
 
Wenn ich bei dem Busse Combat bleiben will, mach ich den Ballen weg. Machen die jetzt angeblich auch wirklich. Ansonsten brauch ich keinen Hammer, die Melone sprengt irgendwo auf:D .

Durch abschleifen des Ballens ändere ich den Klingenkörper. Die Linien verlaufen nun schlanker und auf längerer Strecke. Die Keilwirkung bleibt aber, weil die Klinge an sich fett ist.

Lasse ich den balligen Anschliff, nehme ich was von der Dicke weg, so "reibt sich nicht mehr so viel von der Klinge an der Melone. So sind eben normale Küchenmesser aufgebaut, mit schlanker Klinge. Allerdings wabbeln die.

Dann käme wieder meine Frage, wie dünn darfs sein, damits nicht bricht? Ausgehend von einem handelsüblichen Stahl für Taschenmesser o. ä. rostfrei oder rostträge, HRC 57 - 60, also irgendwas von 440A über 154Cm und D2 bis S30V?
 
ICh denk, nimmt man mal als Beispiel großes J.A.Henkels das man so als großes Küchenmesser kennt, das dies aufgrund der Geometrie duchaus einiges an Missbrauch vertägt. Ein superschlankes Herder Yatagan dagegen natürlich nicht soviel.

Wieviel es nun sein darf, kann lediglich ein ganz grober Anhaltswert sein, denn das hängt eben von mindestens 5 Faktoren ab.
Und wie wir alle wissen ist das nicht einfach zu beantworten

Also wie ich bereits vorher schon mal angeregt habe, wären noch mehr Benchmarks aus der Realität wie die Messer von Urvölkern in genau diesem Zusammenhang durchaus interessant, denn die müssen einfach bestmöglich funktionieren.

Da diese alle ausnahmslos einfache Stähle benutzen oder gar nur Eisen gedengelt, bedeutet dies im Umkehrschluss das man einfach auf diese Klingen und Ausschliffstärken eine Zugabe von x% bezogen auf das jeweilige Zähigkeitspotential einer solchen Legierung (440 C, 154CM,...) geben muss um die gleiche Sicherheit gegen Bruch zu erhalten

Das wird dann schnell 2-3-4mal soviel an Materialstärke die man zugeben muss um noch die Aufgabe ohne Bruch zu erfüllen. Wobei, wie ja gezeigt, die Winkel (Schneidfähigkeit) und die Geometrie der ganzen Klinge(Eindringfähigkeit) schnell derb werden und die allseits gewünschten Eigenschaften, zum Teil dramatisch darunter leiden.
Dagengen steht natürlich der Zugewinn an Schneidhaltigkeit im ziehenden Schnitt bei bereits relativ derben und rauhen Schneidengeometrien, den man von den hochlegierten Werkstoffen zu erwarten hat und natürlich einen gewissen Grad an Korrosionsbeständigkeit versteht sich.
 
@roman: deine erste Faustformel geht prima mit dem ersten von mir gezeigten Diagramm. Geh auf 0,5 mm Randabstand, oder 0,4, oder 0,6, bzw. geh auf 0,5 und schätze anhand des Diagramms den Fehler ab. Dann kannst Du durch Variation auf der x-Achse den Einfluß der Dicke auf den Schneidenwinkel ablesen. Natürlich kann man die Kurven für viele Weitere Basisgrößen "Randabstand" berechnen. Das Problem ist, dass man einerseits möglichst nahe an der Schneide messen muß, andererseits aber noch genau messen muß. Und mit einer geraden Messfläche (der Mikrometerschraube) auf einer geneigten Fläche ist das nicht einfach. Aber ein guter Kompromiss.
Zur Faustformel 2 muß man noch die Kräfte betrachten. Können wir ja mal ins Auge fassen.
 
sagt mal, wie kommt ihr von der Zu- oder Abnahme der schneidendicke und der damit verbundenen Veränderung des schneidenwinkels zu einer Aussage über die Schneidfähingkeit (konkret anwendbar)? Klar, je mehr desto....
...aber an sich fehlt mir da noch die Einbeziehung der nötigen Kraft zum Zerteilen. Steigt die proportional/linear mit der Schneidendicke/dem -winkel? Oder ist da ab einer gewissen Schneidendicke ein sprunghafter Anstieg der notwendigen Kraft nötig?Ist wohl auch vom Schnittgut abhängig, klar.
Oder tut das gar nix zur Sache/mache ich da einfach nur Gehirnakrobatik?
grüße,
xtorsten
 
Faustformel (1):
Also wenn ich meine Schneidendicke um die Hälfte verringere ändert sich der Schneidenwinkel bei festgeleter Schliffhöhe um x%.
Tja, so einfach ist es nunmal nicht, sonst hätte man Sinus, Cosinus und Konsorten nicht erst erfinden brauchen :rolleyes: Im von mir aufgeführten Bereich liegt x etwa zwischen 40 und 100.
 
ja das stimmt hanker,
um was es geht ist die zusammenhänge und die einflusskomponenten kennen zu lernen.
mathematisch korrekt muss es auch nicht immer bis ins letze detail zu sein. wenn die kernaussagen stimmen und leich zu verstehen sind ist dies schon ein riesen forschritt für das verständnis
 
@xtorsten: ja klar, die Kräfte muß man auch noch berechnen. Ich arbeite dran.

@HankEr: den kleinen Yatagan hab ich auch vermessen. Hier die Dicken in Abhängigkeit von dem Abstand von der Schneide (fummelige Messung, Genauigkeit ist nicht sehr hoch, aber man sieht trotzdem, dass die Unterschiede signifikant sich unterscheiden von der Buckelsklinge.
Ein Diagramm ist weiter unten.
Also los
Abstand; Dicke (in mm)
0,75; 0,09
3,5; 0,51
7; 0,78
10; 0,92
14; 1,16

Hier das Diagramm:
 

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jetzt noch der Vergleich der Winkel, der Verfahren und der beiden Klingen:
 

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Was Du dort machst Herbert ist ganz interessant.
Wie Du schon erkannt hast, sind der Verlauf der linearen Regression und die Mittelung kaum Aussagekräftig. Beide Modelle enthalten zu große systematische Fehler. (Das Modell ist zu stark vereinfacht.)

Die Lineare Regression hat in dieser Konfiguration neben den von Dir schon erwähnten Systematischen Fehler ,der sich sehr negativ auswirkt, einen weiteren Nachteil. Die Redundanz (Überbestimmung) sinkt um den Faktor 2, da für die Bestimmung der Geradengleichung zwei unbekannte ermittelt werden müssen. Damit bleibt grade noch eine Redundanz von 2 bzw 5:2, was schon sehr knapp ist.

Ich würde bei eurem inzwischen deutlich erweiterten Modell, in dem über eine weiten Verlauf gemessen wird und nun eine komplexe Kurwe vermessen ewerden soll, die Kurwe zerlegen und über den Poligonzug einen Kurvenverlauf rekonstruieren.

Im einfachstem Modell würden zwei Winkel: Der mittlere Schneidwinkel und den mittleren Sekundärwinkel reichen. Auch dieses Modell ist IMHO schon ziemlich komplex.

Dann hätten man folgende Größen:
-Zwei Winkel
-einen Punkt an dem der Übergang zwischen den Winkeln liegt.
-eine Gesammthöhe

Dies dürfte IMHO die einfachste Form der kommpletten mathematischen Beschreibung eines gesammten Messerquerschnitts sein.
Wenn euch das nicht reicht macht aus den beiden Graden die Winkel bilden Elipsen, dieses Modell ist sehr komplex und dürfte eine ausgezeichnete Beschreibung erlauben. (IMHO viel zu komplex.)
Gruss
El
 
Ja, mit dem kleinen Yatagan, haben wir schon mal eine prima Referenz, dafür wie wenig Material doch so eine Schneide stützen kann. Zudem ist durch den konvexen Schliff, das Material genau da wo es am dringensten benötigt wird, ohne daß die Klinge insgesamt bzw. die unmittelbare Schneidkante zu dick werden.

Zum Schnitzen ist das Messer nicht unbedingt geeignet, aber es ist auch nicht so, daß sich bei jedem Kontakt mit dem Schneidbrett die Schneide umbiegt oder sie bricht.
 
@ElDirko: gute Idee, hast Recht. So muss man es machen. Ich werde mal versuchen, an den beiden Klingen die Meßpunkte möglichst dicht zu legen. Ich werde sehen, ob ich dafür noch dünnere Spitzen für die Mikrometerschraube kriege, dann der Aufsatzpunkt muß klein sein, wenn man gekrümmte Kurven vermißt.
Ich probiere dann mal eine nicht lineare Kurvenbeschreibung.
Wenn man ein gutes Modell hat, kann man ja wieder vereinfachen, aber dann steht man auf festem Grund.
 
Herbert, "der Aufsatzpunkt muß klein sein" stimmt für konkave Flächen, hast du aber nicht bei diesen Messern, nur beim Hohlschliff.
Die Berührungsstelle ist immer eine sehr kurze Linie am vorderen Rand der Meßfläche, fast ein Punkt, weil die Stempel der Meßschraube immer parallel bleiben.
 
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