Wetzstähle - wie das geht und was passiert

Meine Sicht auf das Thema: Schneide aufrichten:

Wenn mein Kochmesser "Feindkontakt" hatte, also einen ungewollten Kontakt der Schneidkante mit einem härteren Gegenstand, der am Berührungsbereich zu einer plastischen Verformung der Schneide führte, dann benutze ich meinen handpolierten hartverchromten Wetzstahl in einer Bewegung mit der Schneide, um die Schneidkante in diesem Bereich wiederaufzurichten. Druck und Winkel müssen dabei ausprobiert werden, bis es funktioniert. Aber eben nur in dem beschädigten Bereich.

Meist richte ich die Schneide vor dem eigentlichen Wetzen, das ich mit einem Keramikstab in einer Bewegung gegen die Schneide durchführe, mit dem Polierstab auf, damit eine umgelegte Schneide nicht gleicht beim Wetzen abgerissen wird und dort zu Materialverlust führt.
 
Wenn mein Kochmesser "Feindkontakt" hatte, also einen ungewollten Kontakt der Schneidkante mit einem härteren Gegenstand, der am Berührungsbereich zu einer plastischen Verformung der Schneide führte,
Von welcher Größenordnung der Verformung sprichst du denn da? Mikroskopisch oder makroskopisch? Und in dem Fall streichst du mit dem Stahl nicht gegen die Schneide, sondern mit der Schneide?
Das ist allerdings nicht dasjenige Wetzen, welches man zwischendurch macht, um die Schärfe zu erhalten.
 
Der Anteil einer möglichen plastischer Verformung (Kneten) wird sicherlich je nach Härte des Stahls etwas variieren, aber in jedem Fall deutlich kleiner sein, als der abrasive Anteil, der die Schärfe wieder herstellt. Insofern sollte man sich über dieses Kneten nicht viel Gedanken machen.
Erheblich verdengeltes Material wirst Du keinesfalls zurückkneten können, außer das Messer ist nicht sauber gehärtet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Also, ich rede da von Abplattungen, die ich mit bloßem Auge sehen kann, wenn ich auf die Schneide gucke und auch mit dem Fingernagel fühlen kann. Das ist so in Millimetergröße (Länge der Verformung, nicht die Höhe des umgeklappten Materials). So etwas entsteht zum Beispiel, wenn mein Messer auf dem Esstisch liegt und ein Trinkglas gegen die Schneide geschoben wird.
ich mache das bei meinem Santoku mit HAP40 Stahl Schneidlage. Selbst diesen Stahl biege ich massierenderweise wieder zurück, ohne dass er gleich abbricht. Das macht er aber nicht freiwillig. Ich merke schon, dass ich etwas drücken muss und die Schneide in dem Bereich dann buckelt.
 
Mir wird das jetzt alles irgendwie zu wissenschaftlich. Da kann ich nicht mithalten. Ich kann nur aus jahrelanger Erfahrung als Metzger berichten. Wenn ein frisch geschärftes Metzger-Arbeitsmesser benutze, dann wird dies eine Weile seinen Dienst, zu meiner Zufriedenheit, tun. Nach einer gewissen Zeit, werde ich aber den Wetzstahl benutzen, da das Messer in der Schärfe nachgelassen hat. Im Normalfall, wird das Messer bei gleicher Arbeit seine Schärfe dann immer schneller verlieren. Das bedeutet, ich muss das Messer in immer kürzen Abständen abziehen. Irgendwann werde ich dann das Messer wieder schleifen. Mit einem Stein oder einer Schleifmaschine. Das Spiel geht dann wieder von vorne los. Und ja, auch bei mir erfolgt das Abziehen auf dem Wetzstahl als letzter Schritt des Schleifens.
Würde ich versuchen, das Messer nur mit dem Stahl zu schleifen, würde ich nicht weiterkommen. Also das Messer würde das Niveau beibehalten. Jedenfalls im normalen Bereich des Abziehens. Ich weiß jetzt nicht, wie es sich verhält, wenn man mehrere hundert Mal das Messer über den Stahl zieht. Das erscheint mir aber als ziemlich sinnfrei.
 
Ich weiß jetzt nicht, wie es sich verhält, wenn man mehrere hundert Mal das Messer über den Stahl zieht. Das erscheint mir aber als ziemlich sinnfrei.
Das empfiehlt hier auch keiner. Deine beschriebene Herangehensweise ist ja genau richtig. Aber jedesmal, wenn du den Wetzstahl benutzt, trägst du etwas Material an der Schneide ab (das kannst du leicht überprüfen, indem du den Wetzstahl nach dem Wetzen mit einem sauberen Tuch abwischt.

Mit jedem Wetzen verschließt deine Schneide etwas mehr. Das geht so lange, bis sie so verschlissen ist, dass ein aggressiveres Schleifmittel als ein Wetzstahl nötig werden.
Gleiches gilt übrigens für Steine mit feinen Körnungen. Auch damit ist es ab einem bestimmten Verschleiß der Schneide extrem mühsam und zeitaufwändig, sie wieder scharf zu bekommen.
 
Also, ich rede da von Abplattungen, die ich mit bloßem Auge sehen kann
Du meinst, die Schneide ist an diese Stelle gestaucht, sodass sie aussieht, wie ein Pilz? Im Prinzip entspräche deine Vorgehensweise dann dem Dengeln einer Sense.

Vielleicht bei HAP40 ungewöhnlich, da der eigentlich nicht besonders zäh ist und eher bricht, als sich plastisch zu verformen. Zumindest wenn er hoch gehärtet ist.
 
Du meinst, die Schneide ist an diese Stelle gestaucht, sodass sie aussieht, wie ein Pilz? Im Prinzip entspräche deine Vorgehensweise dann dem Dengeln einer Sense.

Vielleicht bei HAP40 ungewöhnlich, da der eigentlich nicht besonders zäh ist und eher bricht, als sich plastisch zu verformen. Zumindest wenn er hoch gehärtet ist.
Nein, nicht eine pilzförmige Stauchung erfolgt, sondern die Schneide wird einseitig umgebogen, so dass so etwas wie ein L oder J entsteht. Ich kann den Grat dann mit dem Finger einseitig fühlen.

Dass der HAP40 Stahl sich umlegt und nicht bricht, überrascht mich auch, ich bin damit aber zufriedener, als wenn er brechen würde. Ich habe zum Glück auch eher seltener mit Ausbrüchen zu tun. Ich schneide mit diesem Messer auch Krustenbrot und gefrorenen Spinat, und noch nie gab es dabei Ausbrüche. Ich vermute, dass der HAP40 Stahl doch recht zäh ist und aufgrund der feineren Karbide weniger zu Ausbrüchen neigt. Trotzdem beobachtete ich, dass mein Messer bei regelmäßigem Abziehen auf dem Keramikstab zum schnelleren Stumpfwerden neigt und dann recht bald wieder auf die Banksteine muss. Zur Zeit meide ich das Wetzen dieses Messers und kann über die Schnitthaltigkeit nicht klagen. Es kommt so alle halbe Jahre wieder auf die Banksteine bei täglichem Gebrauch im normalen Haushalt.
 
Ein Video zum Thema: Wetzstahl-Mythos.

Es ist sicherlich richtig, dass es ab einem bestimmten Punkt vom Zeitaufwand her nicht mehr sinnvoll ist, ein stumpfes Messer mit einem Wetzstahl zu schärfen. Aber es geht.


Solange die Schneide keine allzu großen Ausbrüche hat, lässt sich ein nicht zu hoch gehärteter Stahl (in diesem Fall 1.4116 mit HRC 58) extrem lange mit einem Wetzstahl schärfen.

Was ganz interessant ist: Ich habe ein schnelles Bild der gewetzten Schneidfase gemacht und man erkennt ganz gut, dass diese fast komplett mit dem Wetzstahl überschliffen wurde. Hier und da erkennt man stellenweise noch den alten Schliff (mit Tormek 15 Grad je Seite), die Schneide und auch der Übergang von Primär zur Sekundärfase ("Über der Wate") ist aber größtenteils getroffen.

PICA0015.jpg
 
Am Ende widerspricht sich das weniger als man vielleicht denken mag. Wenn sich durch Abrieb ein Grat bildet und wegklappt, dann war es das mit der Schärfe. Feilt/Schleift man den weg, dann ist es eine aufgerichtete Schneide, selbst wenn der gerade stehende Teil nicht der vorher weggeklappte sein mag.
Technologie und Möglichkeiten haben sich geändert und Vorstellungen und Mythen tun das oft langsamer, was aber nicht bedeutet, dass der kern der Bobachtung flasch war...manchmal nur falsch interpretiert.
 
Heisst der verwendete DICKORON Saphir mittlerweile anders? Oder hast du den DICKORON CLASSIC mit Saphirzug verwendet?
Das ist die gleiche Bezeichnung.

Kannst du vielleicht auch direkt DICK nochmal erklären, da die auch von Aufrichten der Klinge sprechen, siehe:
Der Dick Polish hat keine Züge. Die Schneidfasen werden im besten Fall poliert, es wird defektes Material abgenommen, etwas Stahl durch adhäsiven Verschleiß entfernt und vielleicht auch gerichtet. Alles in sehr überschaubarem Rahmen. Ein Polierstahl hat in etwa den Effekt des Abzugs mit blankem Leder.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Video verwende ich genau genommen keine Wetzstähle, sondern Schärfstäbe (Diamant und Keramik), aber es passt zum Thema.
Es geht um den Grat: wie er entsteht, wie man ihn erkennt und dann entfernt:


Die Kombi aus Dia- und Kerami-Stab ist als low-budget Version ürbigens gar nicht schlecht.
 
@Besserbissen: Danke für die anschaulichen Videos. Auch wenn ich kein Anfänger mehr bin: Wieder etwas gelernt. Deine ruhige, methodische Vorgehensweise ist sehr lehrreich. Wenn ich diese Videos schon in meiner Zeit als Anfänger gesehen hätte, hätte ich viel Zeit, Geld und Nerven gespart.

Es ist erstaunlich, wie gut ein Wetzstahl mit Standardzug abträgt. Ich habe das direkt an einem Gemüsemesser aus X50CrMoV15 / 1.4116 ausprobiert, allerdings mit einem preisgünstigen Wetzstahl. Wo es vorher an der Tomate gescheitert ist, ging danach ein sehr sauberer Schnitt durch die Tomate.
 
@Besserbissen Deine Videos sind wirklich sehenswert und sehr gut gemacht. Deine ruhige und kompetente Art die Inhalte zu vermitteln gefällt mir sehr gut.

Das wollte ich einfach mal geschrieben haben.

Gruß

The Lem
 
Welche Kombination ist besser für "normale" Küchenmesser (nichts fancy hartes teures): Dick Duo Diamant/Keramik + Dick Micro oder Dick Saphir + Dick Micro?
Wie ist die Reihenfolge bei der Abrasivität: Diamant - Saphir - Keramik?
 
Angeregt durch eine kleine Diskussion, ob ein polierender bzw. sehr glatter Wetzstahl (z.B. Dick Micro) möglicherweise doch einen Grat oder eine Schneide aufrichtet, habe ich eine kleine Versuchsreihe gestartet.
Dabei ging es auch um den Vergleich von Keramikstäben und Stäben aus gehärtetem Stahl.

Für den Basis-Schliff habe ich einen Shapton Pro 5k mit Nowi Pro benutzt.
Auch die Wetzstähle und Keramik-Stäbe habe ich mit dem Nowi benutzt.

Das Messer ist ein ausgedünntes Vic Petty (Höhe der Wate im Bild: 0,2 mm / Dicke direkt über der Wate: 0,1 mm). Das ist etwas dünner als ein Takamura Petty.

Meine Vermutung anhand der Bilder:
Der Unterschied zwischen Wetzstahl und Keramikstab ist ähnlich wie der zwischen Stahlfeile und Schleifpapier: trifft Stahl auf Stahl findet abhängig vom Druck, mit dem gearbeitet wird, neben dem abrasiven Abtrag auch ein adhäsiver Verschleiß statt.
Die Wate erscheint gerade nach dem Dick Micro wie poliert. Je feiner die Fläche vor dem Einsatz des Dick Micro ist, desto „polierter“ sieht die Wate danach aus.

Ich lasse mal Bilder sprechen:

Shapton Pro 5k:
1A5A0658.jpeg


Ioxio braune/grobe Seite:
1A5A0659.jpeg


Shapton Pro 5k:
1A5A0660.jpeg


Ioxio weiße Seite (fein):
1A5A0661.jpeg


Dick Micro:
1A5A0662.jpeg


Shapton Pro 5k:
1A5A0663.jpeg


Dick Micro:
1A5A0665.jpeg


Sieger Longlife:
1A5A0666.jpeg


Dick Saphir:
1A5A0667.jpeg


Ioxio hellblau (laut Hersteller ca. 4K)
1A5A0668.jpeg


Dick Micro (leicht vergrößerter Wetzwinkel):
1A5A0669.jpeg
 
Der Unterschied zwischen Wetzstahl und Keramikstab ist ähnlich wie der zwischen Stahlfeile und Schleifpapier: trifft Stahl auf Stahl findet abhängig vom Druck, mit dem gearbeitet wird, neben dem abrasiven Abtrag auch ein adhäsiver Verschleiß statt.
Die Wate erscheint gerade nach dem Dick Micro wie poliert. Je feiner die Fläche vor dem Einsatz des Dick Micro ist, desto „polierter“ sieht die Wate danach aus.
Hallo,

Verstehe ich das richtig, dass ein adhäsiver Verschleiß negativ / nicht gewollt ist und die Schlussfolgerung wäre, kein Wetzstahl aus Stahl zu kaufen sondern z.B. aus Keramik?

Grüße,
 
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