Ich habe mal ein paar Fragen zum französischen "Messermarkt" bezüglich der Klappmesser:
-13er Messer scheinen immer mehr auszusterben beim "Nichtsammlermesser"?
-Messer mit mehr als einer Klinge (Korkenzieher mal ausgenommen) sind fast automatisch immer hochpreisig, da eher Sammlerteile?
-Haben die Coutelliers das "Messerrecht" in ihren Absatzmärkten auf dem Schirm und reagieren darauf? Oder ist das vor dem Hintergrund, dass eh eher Sammler angesprochen werden wollen, kein allzu präsentes Thema?
Also: wie könnte man den derzeitigen französischen Messermarkt hinsichtlich der wunderbaren "Regionals" beschreiben und wohin entwickelt es sich gerade? Evtl. hängen ja meine Frage damit zusammen dass generell eine schwierige Marktlage herrscht bezüglich Absatz von guten Gebrauchsmessern?
Die Fragen entstanden nicht als Reaktionen auf die geposteten Bilder (!), sondern eher auf das was man sonst im Netzt "am Markt" so findet, aber ich fand hier passt es evtl. mal ganz gut, da ja bei so einer Messe sicher sich über sowas ausgetauscht wird, bzw. eine Einschätzung des "wohin" und der gesamten Ausrichtung "der Szene" erfolgt.
Ich folge einigen "grossen" Messermachern (auf Insta z.b.) , da gewinnt man den Eindruck dass die ganz konkret ihr hochpreisiges Ouevre für so ein Event fertigen, dort superschnell abverkaufen und dann wieder Ruhe herrscht. Also dass es da gar keinen "Bestand" gibt, aus dem man heraus kaufen könnte und Bestellungen nehmen sie ja auch oft nicht an. Gebraucht taucht da auch nix auf. Ist das so richtig festgestellt, oder irre ich mich da?
-13er Messer scheinen immer mehr auszusterben beim "Nichtsammlermesser"?
In der industriellen Produktion, wie beispielsweise die von Honoré Durand, Forge de Laguiole, Laguiole en Aubrac etc, waren, und sind auch heute noch, 13 cm schon zu haben. Das Problem war dass diese Produzenten ihre, industriell gefertigten, "Kits" nicht an andere Messermacher weiterverkaufen. Ich habe ja schon erwähnt dass die "grossen" (in Bezug auf Anzahl der verkauften Messer, nicht auf Renommé) in Laguiole mit allen Mitteln versuchen die kleinen, unabhängigen Messermacher auszurotten. Deshalb waren bis vor einigen Jahren sämtliche 13 cm Laguioles von kleinen Messermachern zu 100% handgefertigte Custommesser. Und dementsprechend auch teuer und klar im Sammlersegment verlagert. Vor zwei oder drei Jahren hat Jérôme Latreille dann für "Roddier & Roddier" ein 13 cm Kit entworfen das diese Firma aus Thiers seither anbietet. Nun ist es auch für kleine Messermacher möglich 13 cm Laguioles zu erschwinglichen Preisen anzubieten. Allgemein kann mann jedoch sagen dass die 13cm Laguioles eine viel kleineren Teil der Nachfrage darstellen. Die meisten Käufer sind an 12 cm interessiert. Sowohl im industriellen- als auch im Sammlersegment. Jedoch habe ich den Eindruck dass der Anteil der 13 cm im Sammlersegment stark ansteigt. Jérôme Lamic und Jérôme Latreille bieten heutzutage kaum noch 12 cm Messer an.
-Messer mit mehr als einer Klinge (Korkenzieher mal ausgenommen) sind fast automatisch immer hochpreisig, da eher Sammlerteile?
Das stimmt teilweise, liegt jedoch an der geringen Nachfrage an solchen Messern bei den "Durchschnittskäufern" im industriellen Segment. Es sind jedoch auch billige "trois pièces" (Klinge, Korkenzieher und Stechahle) zu finden. Wenn du hingegen ein "quatre pièces" (zusätzlich noch eine kleine Klinge) willst dann bleibt dir nur, zu heftigen Preisen, das Sammler Segment. Noch teurer sind "quatre pièces" mit feststellbarer Klinge, entweder "palanquille" oder "pompe avant" die dann nur von einigen wenigen Messermachern zu haben sind und dann auch nur ab einer Grösse von minimal 15 cm. Es gibt momentan nur einen Französischen Messermacher der es fertiggebracht hat, ein Laguiole "quatre pièces", von 13 cm, mit "pompe avant", anzufertigen. Davon gibt es jedoch nur zwei Stück, der Messermacher besteht darauf anonym zu bleiben, da er sich nicht ein weiteres Mal dem enormen Stress aussetzen will. Und die Preise der beiden Messer waren astronomisch.
-Haben die Coutelliers das "Messerrecht" in ihren Absatzmärkten auf dem Schirm und reagieren darauf? Oder ist das vor dem Hintergrund, dass eh eher Sammler angesprochen werden wollen, kein allzu präsentes Thema?.
Nein, momentan jedenfalls, überhaupt nicht. Das hängt damit zusammen dass man in Frankreich sämtliche Messer und Bajonette etc. legal besitzen darf, nur darf man nur Messer mit relativ kleiner Klingenlänge legal tragen. Im Moment ist ein Gesetz auf dem Instanzenweg das, sowohl die Kontrollmöglichkeiten der "Gendarmerie" und der "Police", als auch die Sanktionen die bei Nichtbeachtung drohen, drastisch verschärfen soll. Es herrscht eine gewisse Unruhe unter Sammlern, aber soweit ich es wahrnehmen konnte ist noch keine Unruhe unter den Produzenten zu spüren.
Also: wie könnte man den derzeitigen französischen Messermarkt hinsichtlich der wunderbaren "Regionals" beschreiben und wohin entwickelt es sich gerade? Evtl. hängen ja meine Frage damit zusammen dass generell eine schwierige Marktlage herrscht bezüglich Absatz von guten Gebrauchsmessern?
Das ist eine schwierige Frage. Nach dem Boom am Ende der Covid-Krise ist die Nachfrage stark gesunken.
Die"grossen", industriellen Hersteller in Laguiole setzen ganz klar auf billige Massenware, ihre Einsteigermodelle sind einfach nur noch Schrott, die Masse macht es aus. Qualitativ hochwertige Messer aus diesen Schmieden sind dann total überteuert und werden, meiner Einschätzung nach, hauptsächlich für die Vitrinen in den firmeneigenen Verkaufsläden hergestellt. Wenn die weltwirtschaftliche Lage sich nicht verbessert könnten diese Betriebe in finanzielle Schieflage geraten.
Die "kleinen" Messermacher, ein- oder zwei Mann Betriebe könnten noch grössere Probleme bekommen. Ihre Zahl hat in den letzten Jahren enorm zugenommen, und für junge Messermacher, die sich noch keinen Namen gemacht haben könnte es extrem schwierig werden. Junge Messermacher mit einem grossen Namen, wie beispielsweise Romain Alvarez oder Bastien Toubhans, um nur diese Zwei zu nennen, müssen sich keine Sorgen machen. Die alteingesessenen im Pantheon sowieso nicht.
Man muss sich jedoch bewusst sein dass auch die ganz bekannten Messermacher sich kein "Leben in Saus und Braus" erarbeiten können. Sie kommen über die Runden, die Familie wird satt und es ist ein Jahresurlaub drin, aber was sie antreibt ist ganz klar zu 80% ihre Passion für das Handwerk.
Ich folge einigen "grossen" Messermachern (auf Insta z.b.) , da gewinnt man den Eindruck dass die ganz konkret ihr hochpreisiges Ouevre für so ein Event fertigen, dort superschnell abverkaufen und dann wieder Ruhe herrscht. Also dass es da gar keinen "Bestand" gibt, aus dem man heraus kaufen könnte und Bestellungen nehmen sie ja auch oft nicht an. Gebraucht taucht da auch nix auf. Ist das so richtig festgestellt, oder irre ich mich da?
Nein, da liegst Du vollkommen richtig! Das ist jedoch ganz einfach dadurch zu erklären dass niemand es sich leisten kann mal einfach so ein halbes Dutzend Messer aus dem Sammler Segment auf Lager liegen zu haben.
Viele renommierte Messermacher arbeiten auch noch auf Bestellung, manchmal sind die Lieferzeiten jedoch schon lang. Auch muss man realistisch sein, ein guter Kunde der schon über ein Dutzend Messer gekauft hat, der nie genörgelt hat, nie über den Preis gefeilscht hat und zudem dem Handwerker, bei Bestellungen, noch einen grossen kreativen Freiraum lässt wird sicher bessere Chancen haben als ein Unbekannter mit einem drei Seiten langen "Lastenheft" in der ersten Kontaktaufnahme. Ist halt so......
Auch darf man nicht vergessen dass Persönlichkeit, Charakter und auch die familiäre Situation einen Einfluss haben. Wenn du verheiratet bist und Kinder hast muss auch Ende des Monats noch Geld da sein. Ich kenne sehr junge Messermacher, mit grossem Renommé, denen ist die "Work-Life Balance " wichtiger als le "fric". Da kann es schon mal vorkommen dass der Kerl lieber eine Woche Pilze sammeln oder Jagen geht als in der Werkstatt zu sitzen um Aufträge zu erfüllen. Diese Messermacher produzieren dann nur für "Salons" und nehmen nur in seltensten Fällen Bestellungen an. Andere sind verheiratet und zudem noch extrem Ehrgeizig, brauchen ständig neue Herausforderungen und Bestätigung. Diese findest du dann nicht mit der Flinte auf dem Buckel im Wald.