Kölsch, Karotten und die drei K’s aus dem Messerforum - Ein Xerxes Passaround Testbericht
Vorweg möchte ich mich natürlich erst einmal bei Jannis für die Bereitstellung der Messer für den Passaround bedanken. Mir hat die Sache sehr viel Spaß gemacht, auch wenn ich die Messer nur im Rahmen eines einzelnen Tages testen konnte und meine Eindrücke natürlich deswegen nicht so tiefgehend sind, wie die der Leute die mit den Messern eine ganze Woche lang kochen konnten.
Um unseren Kölschkonsum was zu kaschieren und das ganze schön seriös erscheinen zu lassen, gibt es sogar erst einmal ein Inhaltsverzeichnis.
Inhalt:
1. Vorgeschichte und Methodik
2. Die 6 Xerxes unter sich
3. Erste bleibende Eindrücke
4. Workhorse gegen Güde
5. Userfriendly gegen Herder und Schanz
6. Laser gegen Ashi und Schanz
7. Userfriendly Hohlkehle gegen Userfriendly gegen Laser
8. Laser Hohlkehle gegen Dalman
9. Mein ganz persönliches Fazit
Vorgeschichte und Methodik:
Nachdem die Reihenfolge für den PA grob feststand, waren mir eigentlich drei Dinge für den Ablauf des Testnachmittags bei kup schnell klar.
Zum einen das wir eine eigene Nische bei der Darstellung des Testberichts bräuchten, da bis zum Eintrudeln der Messer bei kup eine Reihe an Berufsköchen und guten Fotografen schon einiges an Material beigesteuert haben würde. Sich gegenseitig beim Schnippeln zu filmen bot sich aus meiner Sicht geradezu an, da ein bewegtes Bild gerade häufig mehr aussagt als tausend Worte und Videomaterial hier im Forum auch eher selten bei Testberichten bisher verwendet worden ist.
Zum anderen sich auf überschaubare Anzahl an Messern zu beschränken, da wir ja nur ein vergleichsweise geringes Zeitfenster für die Aktion hatten. Da im PA nur 24er Gyutos unterwegs waren, haben wir also nur Messer mit 22-27cm Länge antreten lassen, die ähnlich unkompliziert zu erwerben sind. Damit fielen die ganzen Eigenumbauten von kup raus und diverse Messer von uns mit kürzeren Klingen oder für einen Vergleich unpassenden Klingenformen.
Und das die ganze Aktion im Rahmen eines geselligen Kochens stattfinden sollte, wir sind ja eben drei rheinische Frohnaturen und völlig trocken würde so ein Abend eh nicht ablaufen können. Damit das Ganze aber halbwegs Struktur bekommen sollte, sah der geplante Ablauf dann folgend aus:
- Nicht später als Mittags zu treffen, um beim späteren Filmen noch halbwegs brauchbare Lichtverhältnisse zu haben.
- Dann erst einmal die sechs Testmesser beschauen und bei einer kurzen Möhrensession rausfinden, auf welche der 6 Messer wir in den Videos alles eingehen wollen und ob unsere Vorüberlegungen zu möglichen passenden Vergleichmessern stimmig sind oder nicht.
- Danach dann zügig die Videos aufnehmen, die Pfannen befüllen und dann bei Tisch den Großteil der gekühlten Biervorräte zu eliminieren.
Das war der Plan, was alles schiefgegangen ist spare ich mir als Bonbon für die Interessierten unter euch auf und werde das im Laufe des Tages noch ganz ans Ende via Edit-Funktion nachreichen.
Die 6 Xerxes unter sich
Angefangen haben wir mit der Beschauung der Messer, wobei es dabei natürlich auch stark um rein persönliche Vorlieben und somit eher subjektive als objektive Eindrücke geht.
Rein von der Verarbeitung her hatten wir nichts zu beanstanden. Uns allen hat beispielsweise aber der Micarta-Griff des Userfriendly überhaupt nicht gefallen, was Optik, Haptik und Gewichtsverteilung des Messers anging. Dazu später aber noch mehr. Ich hab den Mooreichen-Griff optisch sehr schick gefunden, rein haptisch hat mir das Holz aber schlechter gefallen als der Olivenholzgriff des Hohlkehlen-Lasers. Und sowohl Krassi und mich erinnert das Buchsbaumholz des Userfriendly mit Hohlkehle irgendwie an Öko-Kinderzimmermöbel der eigenen Kindheit. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden und Jannis bietet ja genug Hölzer zur Auswahl an, daß jeder da eigentlich glücklich werden müßte. Den Verzicht auf Tropenhölzer empfinde ich übrigens als sehr löblich, wir haben hier in Europa genug gute Hölzer, daß man nicht irgendwas aus Afrika importieren muß.
Dann ging es aufs Brett, wobei wir zuerst einmal die Unterschiede zwischen WH, UF und Laser ( bzw. WH-HK, UF-HK und Laser-HK) bei der Schnittfreude im Kampf gegen die gemeine Möhre aus den Messern gekitzelt haben, bevor dann die jeweiligen Paare (WH vs WH-HK, etc) gegeneinander antraten und danach erste Vergleiche mit den für die Videos angedachten Messern gemacht wurden. Zwischenzeitlich hatte auch etwas Knollensellerie seinen Weg aufs Brett gefunden, bis wir dann einen Schlussstrich gezogen haben, um nicht später beim Filmen kein ausreichendes Material mehr zu haben.
Erste bleibende Eindrücke
Zu dem Zeitpunkt gab es dann schon eine Reihe an Überraschungen. Positiv und nicht für jeden von uns selbstverständlich war die Tatsache, dass in Druck oder Wiegeschnitt keines der 6 Messer trotz des doch recht starken Rückenmaterials merkliche Probleme bei Möhen oder Sellerie hatte. Alle Messer schnitten spürbar besser als der Solinger Durchschnitt, was unserer Erfahrung nach bei deutschen Messermachern nicht immer eine Selbstverständlichkeit ist.
Negativ fiel uns wie schon erwähnt der Micartagriff des UF-Messers auf, das trotz laut Küchenwaage eindeutig leicht geringerem Gewicht sich schwerer und weniger agil anfühlte, als das 23er Herder aus der 1922-Serie von kup. Auch erschienen uns die Workhorse Messer mit mehr Sicherheitsreserven ausgestattet, als sie für jene potentiellen Kunden aus der Hobbykoch-Schiene notwendig sein dürften. Ich kann auf Wunsch gerne noch auf meine Begründung für diese Annahme eingehen, ich spare sie mir aus Zeitgründen und zugunsten der Übersicht erst einmal.
Als Konsequenz aus den ersten Eindrücken, dem reduzierten Schnittmaterial und weil wir dem Zeitplan etwas hinterherhinkten, haben wir uns zu dem Zeitpunkt darauf geeinigt nur 5 der 6 Xerxes-Messer auf Video festzuhalten und in keinem Video mehr als 3 Messer gegeneinander antreten zu lassen. Unter den Tisch fiel dabei das Workhorse mit Hohlkehle, da wir das Messer eher in der Profi-Ecke einordnen würden und keiner von uns Berufskoch ist. Kommen wir aber endlich zum spannenden Teil, nämlich den fünf Videos.
Workhorse gegen Güde
Den Anfang macht dabei das Workhorse mit Walkschliff gegen ein 26er Güde aus der Karl Güde Sonderedition, was kup ja schon an anderer Stelle hier im Forum gegen sein Herder hat antreten lassen. Die Idee hinter dem Vergleich war recht simpel. Zum einen war es der einzige Grobian in unseren gesammelten Messerbeständen, zum anderen dürfte Güde mit Zwilling&Wüsthof vergleichbar sein und somit aufzeigen welchen Performance-Sprung man von einem typischen Solinger auf selbst das "gröbste" der 6 Xerxes-Messer hat.
Aber seht selbst:
Ich denke das Ergebnis ist ziemlich deutlich und ich versteige mich als Teilzeitkellner/Küchenhelfer (Restaurant&Kochschule) mal in der gewagten These, daß ein Xerxes Workhorse für nen Berufskoch das sein könnte, was für den Miele-Techniker sein Bosch oder Makita Schrauber ist. Versteigen deswegen, weil wir im Rahmen des Tests natürlich nicht mal ansatzweise das für Berufsköche wichtige Thema
Standzeit der guten Gebrauchsschärfe simulieren konnten.
Userfriendly gegen Herder und Schanz
Beim normalen Userfriendly boten sich aus unserer Sicht zwei Vergleiche auf. Zum einen das Herder 1922, was ja hier im Forum einen sehr guten Ruf (Griffverarbeitung mal weggelassen) für ein industriell hergestelltes europäisches Karbonstahlmesser hat. Zum anderen ein "normales" Schanz, wobei das von den Messwerten oberhalb der Wate her zugegeben irgendwo zwischen Userfriendly und Laser einzuordnen ist, was sich mit den Eindrücken im Video dann auch deckt. Natürlich kriegt man die Schanzmesser nur in SB1, aber da Jannis diesen Stahl ja auch anbieten will und die Schanz-Messer hier im Forum sehr bekannt und verbreitet sind, erschien uns der Vergleich als angemessen.
Hier war das Ergebnis dann doch teilweise überraschend. Daß das Schanz leicht vor dem UF bei einigen der Tests lag, geschenkt. Das von den drei Messern dann aber das Herder bei der gefühlten Schnittperformance vorne lag, war dann doch eine Überraschung, mit der ich im Vorfeld beispielsweise nicht gerechnet hätte. Was jetzt aber bitte nicht heißen soll, das Userfriendly würde schlecht schneiden. Aber da war dann eben doch ein spürbarer Unterschied. Dafür dürfte das Xerxes wahrscheinlich bei der Standzeit punkten, man hat keinen Kropf wenn man ihn nicht mag (wie ich) und bei den Griffmaterialoptionen kann man sich eine Gastro-tauglichere Kombination basteln lassen.
Laser gegen Ashi und Schanz
Für den Laser-Vergleich haben wir zum einen wieder das Schanz gewählt, da es wie schon erwähnt ja von seinen Meßwerten unterhalb von 2cm hinter der Wate irgendwie zwischen dem UF und dem Laser lag und viele Leute hier im Forum mit dem Messer vertraut sind. Ashi war lange Zeit ja der "Geheimtipp" im Forum was halbwegs preisgünstige Laser aus Japan anging und beim aktuellen Frankenkurs und der gegebenen Verfügbarkeit empfanden wir den Vergleich für angebracht.
Der Vergleich (im Video) hinkt natürlich an zwei Punkten etwas. Zum einen weil das Kiritsuke deutlich flacher ausfällt als ein Gyuto und aus meiner Sicht mit seiner eigenwilligen Form auch nicht gerade das Messer ist, was ich zusammen mit einem Sparschäler auf eine einsame Insel oder in eine fremde Küche mitnehmen würde. Da aber bei uns keiner ein 24-27er Gyuto von Ashi besitzt und es was Schnittfreudigkeit angeht bei uns ein absoluter Benchmark ist, durfte es rein ins Video. Da es sein Messer war, durfte Krassi bei dem Video über die volle Länge ran und als bekennende Zugschnittprinzessin, sind die Ergebnisse für Leute, die primär im Wiege oder Druckschnitt arbeiten, mit etwas Vorsicht zu genießen.
Aus meiner Sicht tun sich Ashi und Xerxes Laser nicht viel, beide schneiden auf einem extrem hohen Niveau und spürbar vor dem Schanz. Ich würde auch vermuten, dass die SB1 Variante was die Schnitthaltigkeit angeht vor dem ominösen Schwedenstahl des Ashis liegen würde und der Karbonstahl des PA-Messers vor Shirogami2, bzw. so lese ich das aus den Beiträgen von gast heraus.
Userfriendly Hohlkehle gegen Userfriendly gegen Laser
Nachdem wir die 3 normalen Messer durch hatten und als Reaktion auf unsere Impressionen beim ersten Möhrentest, interessierte uns wie sich das Userfriendly mit Hohlkehle gegen seinen Bruder und den normalen Laser schlägt. Unser subjektiver Eindruck war nämlich, dass die Messer mit der einzelnen großen Hohlkehle im Schnittgefühl vor ihren Walkschliff-Brüdern lagen.
Der Eindruck hat sich im Video dann auch wieder bestätigt. Das Hohlkehlen-UF schneidet einen Ticken gefälliger als das normale UF, ist aber leicht hinter dem Laser was die Leichtigkeit des Schnittes angeht. Dafür überzeugt das Hohlkehlenkonzept bei der Schnittgutfreisetzung spürbar im Vergleich mit den beiden Walkschliffmessern. Ob einem das Konzept ästhetisch gefällt oder nicht, darüber kann man gerne geteilter Meinung sein. Es funktioniert aber zweifelsfrei.
Laser Hohlkehle gegen Dalman
Und zum Abschluß dann das Video auf was wahrscheinliche viele hier gewartet haben. Dalman gegen Hohlkehlen-Laser, wobei die beiden Messer sich dann doch in ihrem Konzept deutlich unterscheiden. Das Xerxes ist höher als das Dalman und verliert im Klingenverlauf deutlich weniger an Rückenstärke als das Dalman. Ob das Xerxes überhaupt ein Laser ist, hängt mMn stark davon ab wie man den Begriff überhaupt definiert. Rein von seiner Schnittfreude her ist es mit Sicherheit einer, aber viele Leute assoziieren mit dem Begriff sehr leichte und am Rücken überdurchschnittlich dünne Messer. Und da bringen beide Xerxes Laser spürbar mehr Gewicht auf die Waage als das Dalman, obwohl dieses aufgrund der stabilisierten Birke eigentlich den schwereren Griff haben dürfte.
Rein von der puren Schnittfreude würde ich das Dalman knapp vor dem Xerxes einordnen, dafür ist das Hohlschliffkonzept von Jannis effektiver und das Messer weniger divenhaft, gerade was die Empfindlichkeit der Spitze angeht. Für den professionellen Einsatz halte ich den Hohlkehlen-Laser von Jannis für das gelungenere Messer, in vielen Küchen würde
ich mit einem Dalman nicht arbeiten wollen, ich weiß aber das es im KKF den einen oder anderen Berufskoch gibt, der mit dem Messer auch professionell arbeitet.
Mein ganz persönliches Fazit
Mir hat wie schon erwähnt die Sache viel Spaß gemacht, optisch kann mich als Hobbykoch keines der beiden Hohlkehlenkonzepte überzeugen. Wenn also eventuell irgendwann mal ein Xerxes Messer den Weg zu mir finden würde, fiele die Wahl wohl auf den "normalen" Laser. Ändert natürlich nichts an der Tatsache, daß man mit keinem der Messer was falsch macht und dass das Hohlkehlenkonzept in der Praxis eindeutig funktioniert.
Die beiden Workhorse Messer waren für mich nur von akademischem Interesse, weil ich in dem Konzept für einen Hobbykoch wenig Nutzen sehe. Das hab ich weiter oben schon mal erwähnt, ich möchte an der Stelle meinen Gedankengang noch mal darlegen:
Die wenigsten Leute steigen direkt von einem ~10-30€ Messer auf ein 300€ Messer um und verschenkt werden Messer in der Preisklasse noch seltener, wenn ich ich die Kaufberatungen der letzten Wochen und Monate richtig in Erinnerung habe. Dazu kommt das Jannis wahrscheinlich nicht groß offensiv Werbung betreiben dürfte, also stellt seine Serie eher ein Nischenprodukt da. Wer also mit einem Messer von ihm liebäugelt, dürfte daheim schon das eine oder andere Messer haben, was sich in seiner Schnittfreudigkeit deutlich vom Solinger Standard abhebt und somit eine halbwegs gescheite Technik besitzen, so daß im Privatbereich die Sicherheitsreserven des Workhorse hinter der Wate nicht wirklich benötigt werden und ich gehe mal davon aus, daß die wenigsten Leute für den Grobian in der heimischen Sammlung mehr ausgeben, als für die Genußschnitt-Diven an der Magnetleiste.
Im Profibereich mag das anders aussehen, das ist aber ein Feld wo ich nur ungern groß irgendwelche Vermutungen anstellen oder Empfehlungen abgeben möchte. Hier fehlt mir einfach die praktische Erfahrung, um sagen zu können ob ein UF oder Laser für den Profi-Einsatz zu fragil ist oder nicht...
Ob man als Hobbykoch mit gescheiter Technik die Reserven des Userfriendlies braucht wage ich ebenfalls zu bezweifeln. Das ist aber dann vielleicht auch wieder eine Frage der persönlichen Vorliebe und ob das Messer nur von einem selber oder eventuell noch anderen Familienmitgliedern genutzt wird. In dem Fall würde ich für den Privatnutzen das Hohlkehlen-Messer vorziehen, da es sich einen Ticken performanter anfühlt und man bei einem gemächlicheren Tempo mehr von der Hohlkehle hat, als es bei einem Profi mit viel Forte der Fall sein könnte. Mir persönlich wäre das normale UF in der Preisklasse zu wenig performant in Relation zu dem was ich daheim schon habe oder mit was ich bei kup&krassi schon schnippeln durfte, denn es liegt in der Summe seiner Eigenschaften beispielsweise unter meinem 27er Tanaka, meinem 22er Schanz und unter dem Herder von kup, an dem mich nur der Kropf stören würde.
Alles drei eben Messer, die preislich eine oder zwei Ligen darunter anzusiedeln sind, wobei das bitte nicht als Kritik an Jannis Preisen zu interpretieren ist. Einen Dalman kriegt man mittlerweile auch nicht mehr billiger und die meisten anderen deutschen Messermacher spielen preislich in einer ähnlichen Liga, von den Kosten für Messer von US-Machern nach Versand&Zollgebühren ganz zu schweigen.
Mein persönlicher Favorit bei den Messern ist also wie schon erwähnt der normale Laser. In der Preisklasse muß für mich als Hobbykoch ohne Profiambitionen Funktion und Optik eine gelungene Symbiose eingehen und von den beiden Holhlkehlen-Konzepten empfinde ich das des Lasers für das optisch weniger ansprechende. Was aus meiner Sicht für den Walkschliff-Laser spricht ist die Kombination aus einer sehr performanten Klinge, die gleichzeitig aber deutlich robuster wirkt als viele andere Laser-Konzepte mit ihren dünner geschliffenen und hoch ausgehärteten Klingen. Der Foodrelease ist aufgrund der Klingenhöhe und der Rückenstärke ordentlich und für mich völlig ausreichend, da habe ich bei anderen Lasern schon schlechteres erlebt.