Servus,
vielleicht noch ein etwas anderer Blickwinkel, ich beschäftige mich seit knapp 10 Jahren mit Turmschleifsystemen und hatte schon einige verschiedene Systeme in Verwendung. Mein Ehrgeiz hat damals gebrannt. Dazwischen habe ich immer wieder mit freier Hand geschliffen. Es gibt geübte Freihandschleifer die sich geschickte motorische Fähigkeiten über die Jahre angeeignet haben, die sehr gute Fasen weitgehend reproduzierend schleifen können. Diese Erfahrung von einem guten „Gefühlsschliff“ kombiniert mit einem "spielfreien" System ohne "Gewackel" ( oder sehr geringem ) funktioniert manchmal gar nicht so gut wie erwartet. Ein solches dezent "gefühlt" nachgiebiges System hat zum Beispiel Uwe Mattern konstruiert, hier scheinen die Toleranzen nach meinem Gefühl größer, alles funktioniert „weicher“ und gibt eher „nach“, als das System von Simon, aber die Hauptlast, nämlich die Winkelstabilität zu halten wird unterstützt, fühlt sich aber nicht völlig starr an sondern eher vergleichbar wie mit freier Hand geschliffen an. Die Klemme ist aus nachgiebigem Material gedruckt und bei stark getaperten Klingen daher selbstzentrierend. Schwer zu erklären, das muss man mal benutzt haben. Deshalb halte ich das System von Simon für das Einfachere im Sinne einer schnelleren Lernkurve ohne Vorerfahrung, hingegen setzt das System von Uwe schon ein gutes Gespür im Freihandschleifen voraus, bietet aber auch mehr Finesse. Ich rede von seinem System aus dem 3D-Drucker. Damit muss man sich einarbeiten um richtig davon zu profitieren.
Im Gegensatz zu Metallkomponenten ist hier die bewegte Masse gefühlt geringer, alles wirkt unterstützend aber nicht zwingend. Wie schon gesagt, das Feeling beim Schärfen ist schwer in Worten zu erklären.
Jeder „Neueinsteiger“ erwartet von einem System, das er das Messer fixiert, den Winkel einstellt und über den Stein schabt und so zu einer winkelstabilen Fase kommt die gut scharf ist. Die Ergebnisse sind in der Regel ausreichend gut und bestimmt besser, als die ersten Versuche mit freier Hand. So war es zumindest bei mir. Mein gröbster Fehler mit freier Hand, war immer ein zu flacher Schneidenwinkel und das klassische „Gewackel“ am Stein.
Um auf den Punkt zu kommen: Das System von Simon ermöglicht sehr gute und bei weitem für jede normale Anwendung ausreichend gute Schliffe/Schneiden, auch bei geringer Vorerfahrung, Toleranzen innerhalb des Schleifwinkels hin oder her.
Wer nerdmäßig unterwegs ist, kann sich durch zusätzliches erlernen eines passablen Freihandschliffes auf allen Systemen noch steigern und merkt dann, ob ihm ein flexibleres System oder ein rigides System in seinen Ergebnissen besser oder schlechter unterstützt. Ich beziehe mich hier immer und ausschliesslich auf dünne Kochmesser und nicht auf fette Klingen mit 1mm breiten Fasen.
Als Fazit würde mich interessieren, ob man unter dem Mikroskop einen optischen Unterschied zwischen einem Schliff mit fixem Winkel und verstellbarer Winkelführung bei gleichem Winkel und allen andern Einstellung /Parameter ausmachen kann. Sind beide Schliffbilder identisch, dann ist eine geringfügige Winkelabweichung entweder optisch nicht auszumachen und daher nur Kopfsache/Gefühl das hier mechanisch/technisches Spiel vorliegt und deshalb Schwankungen im Ergebnis festzustellen sind, oder die Abweichung ist einfach zu gering um überhaupt eine Auswirkung auf Schliffbild, Schärfe und Qualität der Schneide zu haben, bzw. man müsste immer höher auflösende Bilder machen um Unterschiede sichtbar zu machen.
Ich war auch mal versessen darauf eine technisch perfekte Fase zu schaffen, sehe aber heute keinen praktischen Mehrwert, solange die Schneidenspitze voll getroffen und durchgeschliffen wird.
Wirklichen Sinn macht so ein Systemschliff, wenn man eine serielle Defektschicht sauber entfernt, also eine ab Werk offene und zerklüftete/grob vom Band geschliffene Schneide „schließt“ und frischen unverbrauchten Stahl „sagen wir halt fast“ winkeltreu an der Schneidenspitze freisetzt. Wer ganz feine Körnungen zum Abschluss will, kann druckentlastend abschließen, am besten mit einem guten japanischen Naturstein.
Die Empfehlung ist eben, den Schleifwinkel zum Abschluss, die letzten paar Züge und zum entgraten etwas steiler zu stellen um wirklich nur noch die Schneidenspitze zu treffen. Ob jetzt mit verstellter Winkelführung oder einem gefalteten Blatt Papier unter dem Stein ist aus meiner Sicht egal. Die Klinge sollte nur druckentlastend geführt werden. Das Ergebnis wird dann für sich sprechen.
Man darf das auch als falsch ansehen und selbst besser oder anders machen, keine Frage.
Jeder schleift ja sein Ergebnis für sich und niemanden sonst.
Das ist so in etwa der Konsens der Turmschleifer die damals alle ein System von Bogdan Manko bestellt haben, das später von Uwe Mattern nachgebaut und vereinfacht wurde. Dann kamen Katocut mit seinen-Novi-Varianten, die technisch hochwertiger und professioneller gefertigt wurden, allerdings auch viel teurer.
Simon hat hier ein System konstruiert, dessen vergleichsweise geringer Preis die Einstiegshürde für ein sehr gutes Schleifsystem deutlich herabsetzt und sehr schnell viel mehr verkauft und unter die Leute gebracht, als die anderen Systemhersteller. Daher auch wieder die Diskussionen zu Winkelabweichungen, Spiel der Komponenten, technische Einschränkungen, Schwächen im der Handhabung, Anwenderfehler usw.
Ich würde sagen, jeder der seine Messer selbst in sehr guter Qualität schärfen möchte, ist sicher mit diesem System bestens aufgestellt. Leute die mehr wollen, weil's ihnen Spaß macht Babyhaare über Schneiden zu ziehen um dann unter dem Mikroskop zuzuschauen, wie sich die feinen Haar an der Schneidenspitze verfangen und gespalten werden, oder eben Wettkampfschneiden präparieren/schärfen, die, mit passendem Stahl wohlgemerkt, elend lange Sisalseile schneiden können, die können ja noch Aufrüsten.
Das erreichte Ergebnis ist immer wichtiger als die theoretischen Möglichkeiten, denn damit schneidet man.
Ich möchte aber die weitere Diskussion über Abweichungen von 0,1 Grad, Winkelfehler oder andere durch am System technische Schwankungen nicht weiter stören. ☺️
Gruß, güNef