Back to hardware ...
Die nächste Messeretappe nach Laguiole war La Bastide sur l'Hers, um bei Jean-Paul Tisseyre vorbeizuschauen
klick
Wir sind öfter in dieser Gegend zwischen Perpignan und Foix, haben es aber noch nie geschafft, zu den Öffnungszeiten dort zu sein.
Letztes Jahr hätte es fast geklappt, aber wir sind leider im Laden der Pyrenäen-Schleifsteine in der Nähe hängengeblieben...
klick
Aber diesmal war das Timing besser ....
Monsieur Tisseyre ist mittlerweile im Ruhestand, baut aber immer noch Messer - allerdings hat er für seinen kleinen Laden im Erdgeschoss seines Hauses keine festen Öffnungszeiten mehr - am besten vorher auf seinem Handy anrufen (Kontakt auf seiner Homepage)
Oder direkt über die Homepage bestellen, wenn man gerade nicht in der Gegend vorbeikommen kann ...
Jean-Paul Tisseyre trägt nicht umsonst den Titel MOF (Meilleur Ouvrier de France - bester Arbeiter Frankreichs - ein Titel der alle 3 - 4 Jahre in verschiedenen Berufen vergeben wird) - seine ausgestellten Messer sind alle tipptopp verarbeitet und rangieren zwischen knapp unter 100 € für die einfachen Klapper und den Luxusversionen im vierstelligen Bereich.
Interessant finde ich auch die Bausätze, die er anbietet-
klick
Das Messer meiner Wahl heißt offiziell:
COUTEAU CAPUCIN ARIÉGEOIS LE PLANTAUREL CORNE JASPÉE CLAIRE ACIER 12C27 ...
klick
... also ein Kapuzinermesser aus dem Ariège, Typ "Le Plantaurel" aus blondem Horn und mit 12C27 Stahl.
Namenserklärungen:
Capucin heißen diese Messer wegen der Grifform, die an die Kapuzen der Kapuzinermönche erinnert. Bei dieser Interpretation von Tisseyre nicht mehr so gut zu erkennen, beim Original-Design schon -
klick
Ariège ist der Name des Départements, wo der Meister wohnt.
Le Plantaurel ist der Name eines Gebirgszugs in der Nähe, parallel zum Hauptkamm der Pyrenäen.
Ein paar technische Informationen:
Die Klinge aus 12C27 mit 100 mm Länge und 3 mm Dicke ist sehr dünn ausgeschliffen (ca. 0,3 mm hinter der Wate), leicht nagelgängig, mit feiner Spitze und einer Härte von 57 HRC.
Es ist eine einfache Konstruktion: Griff, Klinge und zwei "Nägel" (deux clous) - also Achse und Stoppin.
Eine interessante mechanische Besonderheit ist der optionale Klingenpositionsunterstützungsmechanismus (der Franzose beschreibt das umständlich in einem ganzen Satz: mécanisme ressort maintien de lame).
Foto des Musters zur Erläuterung der Feder
Diese patentierte Lösung umschließt die Klingenwurzel mit einem Stück Federbandstahl, der gegen den Stoppin drückt und die Klinge in den Positionen "offen" und "geschlossen" besser in Postion hält, als dies nur durch die Reibung zwischen Klinge und Griff möglich wäre.
Die Feder ist von außen sichtbar.
Es reicht, um die Klinge im Griff zu halten, aber die Schließkräfte bei offener Klingen werden kaum erhöht. Es ist also keine richtige Verriegelung.
Der Griff ist aus schön marmorierter, blonder Hornspitze aus einem Stück gefertigt und 130 mm lang.
Gesamtgewicht: beeindruckend wenig - 45 g!
Eine für mich neue Art des Tragens von cliplosen Taschenmessern teste sich dank dem Plantaurel nun auch schon seit einigen Tagen im Parallelbetrieb zur klassischen, am Gürtel quergetragenen Laguioletasche.
Wohl eine Erfindung des Maître Tisseyre: eine Stecktasche mit Bändeln an einer Seite zur Befestigung an der Hosengürtelschlaufe vorne. Da er nie Gürtel trägt, meinte er, aber das Messer nicht quer in der Hosentasche liegen haben will, war diese Lösung nur konsequent. Außerdem könne es als "Erinner-Mich" dienen, wenn es leer an der Vorderseite der Hose herumbambelt, weil man vergessen hat, sein Taschenmesser einzustecken (ich weiß aus eigener Erfahrung, daß ältere Männer manchmal kuriose Demenzstrategien entwickeln ...).
Das Tragen und Aus/Einpacken des Messer funktioniert (außer beim Sitzen) sehr gut und dezent - werde ich zu Hause mal auf andere Messer übertragen.
Resumée: ein wunderbarer, praktischer Franzose im klassischen Format mit dem gewissen Extra.
Bonne nuit
Virgil