AW: Waffentrageverbot Hamburg
J.B:
Als Beamter einer Bundesbehörde mit Vollzugsaufgaben bin ich ein klein wenig in rechtlichen Vorschriften geschult.
Im Hinblick auf Waffen hat das Bundesland Hamburg nur das zu melden, was ihm der Bund im Waffengesetz gestattet, denn dieses ist Bundesangelegenheit. Hamburg hat von seiner durch den Bund erteilten Ermächtigung Gebrauch gemacht und zwei Waffenverbotszonen eingerichtet.
In Bezug auf gefährliche Gegenstände hat die Polizei Hamburg gar nichts bestimmt. Das Hamburgische SOG wurde von der Hamburger Bürgerschaft als Landesparlament beschlossen und sieht die Möglichkeit einer entsprechenden Rechtsverordnung vor. Diese wird vom Hamburger Senat (= Landesregierung) erlassen. Die Eingriffe in die Bürgerrechte sind präzise bezeichnet, räumlich stark beschränkt und entsprechen nach Sinn und Zweck dem Waffengesetz des Bundes. Da ist insoweit juristisch gar nichts zu beanstanden.
Vielleicht solltest du dich einmal intensiver mit Staats- und Verfassungsrecht befassen. Das klappt am besten im Jurastudium oder ersatzweise (wie in meinem Fall) an einer Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Bundes oder der Länder.
Der einzige Fehler wurde bei den Ausnahmetatbeständen gemacht, wie Micha M. richtig bemerkt hat. "Vollzugsbehörden des Bundes und der Länder" müssen ausgenommen werden. "Polizei" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, da er nicht präzise genug ist. Denn andernfalls könnte beispielsweise ein Zolleinsatz bei einer Drogenrazzia auf dem Kiez dazu führen, dass die eingesetzten Vollzugsbeamten/-innen ihre Dienstwaffen nicht mitführen dürfen bzw. eine Ordnungswidrigkeit begehen. In der Praxis wird das zwar nicht beanstandet werden, aber rechtlich gesehen ist die Verordnung hier nicht präzise genug gefasst worden.
Ach ja:
Ein Beamter der Davidswache teilte bei einem persönlichen Gespräch mit, dass bei den Kontrollen ein gewisser Ermessensspielraum angewendet werden wird. Eine Touristin aus Bayern, die mit ihrem Schweizer Messer ihren Apfel auf einer Sitzbank schält, wird anders behandelt werden als ein angetrunkener Jugendlicher mit einem Dolch in der Jacke. Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt der sogenannte Opportunitätsgrundsatz. Im Gegensatz zu Straftaten hat die Polizei hier ein gewisses Ermessen, ob und wieweit sie eingreifen will.
Die breite Masse der Hamburger Polizei besteht aus zivilisierten, intelligenten und gut ausgebildeten Beamten/-innen. Und diese sind in der Mehrheit gar nicht glücklich über ihre zusätzliche Aufgabe. Das ist viel Arbeit und nicht ungefährlich. Meines Erachtens ist es nur eine Frage der Zeit, bis der erste Polizist bzw. die erste Polizistin bei so einer Kontrolle abgestochen wird.
Es fällt mir im Moment noch schwer, genauer über die Sache nachzudenken, weil ich kürzlich
meinen geliebten Kater einschläfern lassen musste.


Sgian, mir ist schon bewusst, dass es in Hamburg bezüglich der Organisation der Gefahrenabwehr Besonderheiten gibt. Ersetze halt bei mir "Polizei" durch "Senat" oder "für die Gefahrenabwehr zuständige Behörde". Das bringt uns nur inhaltlich keinen Millimeter weiter.
Es ändert auch nichts daran, dass es mir nicht um die Ermächtigung aus § 42 Abs. 5 WaffG ging, sondern vorrangig um die Hamburger Speziallösung, gefährliche Gegenstände auf Basis der Ermächtigung aus dem SOG mit zu verbieten.
In deiner oberflächlich und durcheinander gewürfelt wirkenden Argumentation vermisse ich schon die Aufteilung nach den beiden Ermächtigungsgrundlagen, sorry.
Das Verbot des Führens der in der Verordnung genannten gefährlichen Gegenstände kann nicht durch das WaffG ermächtigt sein. Es ist demnzufolge meines Erachtens nach auch nicht möglich, den betreffenden Teil der Verordnung mit dem Waffenrecht zu erklären.
Du erweckst zudem den Eindruck, jeder beliebige Eingriff sei legal, wenn er nur präzise bezeichnet und räumlich stark beschränkt wäre. Den Inhalt des Eingriffs lässt du dabei außen vor.
Überdies meinst du, dies entspreche nach Sinn und Zweck dem Waffengesetz.
Die Rechtmäßigkeitsprüfung erfordert jedoch mindestens noch die Überprüfung einer möglichen Verletzung der Grundrechte aus Art. 14 GG (Eigentumsfreiheit) und evtl. auch aus Art. 2 I GG (Allgemeine Handlungsfreiheit).
Mir will es zB nicht in den Sinn, wieso es plötzlich angemessen sein soll, gefährliche Gegenstände einzuziehen und nicht wieder herausrücken zu müssen. Aus § 42 Abs. 5 WaffG kann sich die Ermächtigung dazu definitiv nicht ergeben und das SOG hatte es bisher nicht hergegeben. Es wäre sonst der Hamburger Innenbehörde schon längst möglich gewesen.
Welchen Sinn und Zweck das Waffengesetz, das nichts anderes als den Umgang mit Waffen regelt, dem Eingriff in die Rechte bezüglich des Führens gefährlicher Gegenstände (keine Waffen) geben soll, bleibt vermutlich dein Geheimnis.
Abgesehen davon gehst du mit keinem Wort auf meine Argumente ein.
Was ist mit der Einstufung der Gefährlichkeit des Führens von Waffen im Vergleich zu gefährlichen Gegenständen?
War die von Waffen ausgehende größere Gefahr nicht über das SOG zu erfassen, bzw. warum setzte der Verordnungsteil, der das Führen von Waffen verbietet, die Ermächtigung aus § 42 Abs. 5 WaffG voraus, wenn doch das SOG schon weitreichendere Befugnis einräumte?
Nur mal so am Rande bemerkt, könnte mit deiner Argumentation der Hamburger Senat auch das Führen von Kraftfahrzeugen zB auf Straßen verbieten, auf denen wiederholt Delikte im Zusammenhang mit Kfz vorgekommen sind. Kfz sind immerhin so gefährlich, dass im Straßenverkehrsrecht im Streitfall aufgrund ihrer Betriebsgefahr von einer 50/50 Schuld ausgegangen wird.
Die Rechtmäßigkeit des nicht Waffen betreffenden Teils der Verordnung würde bedeuten, dass sich jedes Bundesland nach eigenen Kriterien andere Gegenstände ausdenken und deren Führen auf Basis seines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausreichend präzise und räumlich beschränkt verbieten könnte. Das würde sicher einen schönen Schilderwald ergeben.
Sollte sich der zuletzt genannte Teil der Verordnung als nicht rechtmäßig und daher unwirksam herausstellen, wird man wahrscheinlich wieder andere Ansätze verfolgen. Die Aussicht, die Gesamtsituation durch kostengünstige Verbotsverschärfungen verbessern zu können, ist noch zu verlockend.
Hoffentlich bleibt wenigstens auf Bundesebene die bisherige Vernunft bestehen, diese plan- und hilflos wirkenden Versuche ins Leere laufen zu lassen.
Sgian, ich meine das übrigens wirklich nicht böse und auch nicht persönlich. Es erscheint mir nur wichtig, nicht über den aus meiner Sicht offenbar unstimmigen Verordnungsteil hinwegzusehen und dem oder den Verursachern möglichst frühzeitig aufzuzeigen, dass sie den Hebel an der falschen Stelle angesetzt haben.
Ich halte ein möglichst baldiges Gegensteuern auch aus weiteren Gründen für nötig.
Die Presse ist fachlich einfach nicht auf der Höhe und hätte sonst länger Gelegenheit den falschen Mumpitz zu verbreiten sowie noch mehr zu verfälschen, wie
hier zu lesen mit "Wer nach der Gesetzesänderung dann ein Messer dabei hat, ist die Waffe los und bekommt wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz ein saftiges Bußgeld." Ignorantenmotto: Jedes Messer ist eine Waffe.
Man sollte übrigens bei "In Amsterdam gibt es bereits seit Jahren örtliche Waffenverbote. In bestimmten Szene-Vierteln dürfen vor allem zwischen 22 und 7 Uhr keinerlei Waffen mitgeführt werden. Die holländische Polizei hat damit bisher gute Erfahrungen gemacht." vielleicht dazu sagen, dass bekiffte Leute vermutlich friedlicher reagieren als Besoffene.
Diese Nachricht scheint mit "...weitere 1.800 Personen seien von der Bundespolizei an den nahen S-Bahnhöfen überprüft worden. ... Parallel gab es Kontrollen im nahe des Bahnhofs gelegenen Stadtteil St. Georg, wie die Polizei erklärte. ... " zu zeigen, dass der Hamburger Behörde nicht nur gerne zum Waffengesetz noch etwas dazu erfindet, sondern wohl auch die Verbotszonen lieber etwas weiträumiger handhabt.
Selbiges scheint mir
dieser Beitrag mit "... Daleki kündigt auch strenge Kontrollen an: Niemand dürfe davon ausgehen, sich unbemerkt über die Nebenstraßen in die Verbotszonen schleichen zu können. Zwar werde man keine stationären Kontrollanlagen wie auf dem Flughafen auf der Reeperbahn einrichten, aber Polizeibeamte werden mit mobile Metalldetektoren unterwegs sein und gezielt Bürger überprüfen. „Meine Kollegen vor Ort kennen die Straßen genau und werden die Lücken schließen“, sagt Daleki. ... " zu dokumentieren.
Zu guter Letzt
hier noch ein Beispiel dafür, mit welchem Rechtsverständnis und Feingefühl die Hamburger Innenbehörde sonst so vorgeht. Das bedeutet nicht, dass ich mit den dadurch Verletzten sympathisiere, nur sollten sich auch Ermittler in einem Rechtsstaat nicht wie im Wilden Westen verhalten.
Nix für ungut.
Gruß
JB